Bewegung – welche Dosis ist die richtige?
Ratschläge für Patientinnen und Patienten
Peer-review

Bewegung – welche Dosis ist die richtige?

Fortbildung
Ausgabe
2024/03
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2024.1362487779
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2024;24(03):72-75

Affiliations
Redaktor Primary and Hospital Care

Publiziert am 06.03.2024

Regelmässige Bewegung verringert das Risiko für viele negative gesundheitliche Folgen, und dies unabhängig von Alter, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit oder dem Vorliegen von Begleiterkrankungen. Entsprechend lautet die Hauptbotschaft der Schweizerischen Bewegungsempfehlungen «Jede Bewegung zählt» [1]. Denn Bewegung ist gut für Körper und Geist, beugt Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und Krebs vor und kann bei deren Behandlung helfen [2, 3]. Die Botschaften sind klar und evidenzbasiert, aber was sollen wir unseren Patientinnen und Patienten tatsächlich raten? Wieviel ist mindestens notwendig? Gibt es ein Zuviel an Bewegung?

Serie Sport und ­Bewegung

Sport und Bewegung – ein wichtiges und auch durchaus kontroverses Thema in der täglichen Beratung von Patientinnen und Patienten, in der Praxis wie im Spital. Diese Serie soll einen Überblick geben über das aktuelle Wissen rund um die Gesundheitseffekte von Sport und Bewegung. Die aktuellen Bewegungsempfehlungen werden ebenso beleuchtet wie Aspekte der Beratung und Abklärung von Patientinnen und Patienten vor Aufnahme einer sportlichen Tätigkeit, Aspekte der Gesundheitsförderung und den Möglichkeiten, aber auch den Grenzen und Risiken von Sport und Bewegung.

Empfehlungen zur körperlichen Aktivität

Körperliche Inaktivität ist eine der Hauptursachen für viele chronischen Krankheiten. Regelmässige Bewegung kann die Entstehung vieler chronischer Erkrankungen verhindern und stellt zudem einen Eckpfeiler zur Verlangsamung des Fortschreitens dieser Erkrankungen dar. Chronische Erkrankungen, die durch regelmässige Bewegung positiv beeinflusst werden können, umfassen so diverse Erkrankungen wie arterielle Hypertonie, Typ-2-Diabetes, koronare Herzkrankheit und Herzinsuffizienz, aber auch diverse Krebserkrankungen, psychiatrische Erkrankungen, wie Depression und Angststörungen, und dementielle Syndrome [1–4].
Das Bundesamt für Sport der Schweiz empfiehlt in den aktuellen «Bewegungsempfehlungen Schweiz» für Erwachsene eine Ausdaueraktivität mit mittlerer Intensität im Umfang von mindestens 150-300 Minuten bzw. eine Ausdaueraktivität mit hoher Intensität im Umfang von 75-150 Minuten pro Woche sowie Krafttraining bzw. für ältere Personen ein kombiniertes Kraft-/Gleichgewichtstraining einschliesslich Übungen zur Sturzprophylaxe an zwei Tagen pro Woche [1].
Allen Bewegungsempfehlungen ist gemein, dass, wie oben ausgeführt, zunächst ein Minimum an körperlicher Aktivität bei mittlerer bzw. hoher Intensität definiert wird, bei dem der gesundheitliche Nutzen am grössten zu sein scheint, wobei natürlich betont werden muss, dass jede Bewegung besser ist als keine. Unklar ist jedoch, ob durch eine höhere Intensität der Aktivität ein zusätzlicher gesundheitswirksamer Effekt hinsichtlich Prävention und Therapie chronischer Erkrankungen erreicht werden kann. Gibt es eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen dem Ausmass der körperlichen Aktivität und deren gesundheitswirksamer Wirkung? Und kann man sich eventuell auch zu viel bewegen, bzw. nimmt die Gesundheitswirksamkeit von Bewegung ab einer bestimmten Dosis wieder ab?

Bewegungsumfang und Bewegungsintensität – Begrifflichkeiten

Massgeblich für die Gesundheitswirksamkeit von Bewegung ist der Bewegungsumfang einer Bewegungsart (Ausdauer, Kraft) pro Zeit. Der Bewegungsumfang ist definiert als
Häufigkeit × Dauer einer Bewegung
in einem bestimmten Intensitätsbereich [1, 4]. Zur Beschreibung der Intensität hat sich die Angabe der sogenannten METs (metabolic equivalent of task) bewährt. Ein MET ist dabei der geschätzte Energieumsatz einer Person in Ruhe und entspricht einer Sauerstoffaufnahme in Ruhe von 3,5 ml/min/ kg, bzw. einem Energieverbrauch von 1 kcal pro kg Körpergewicht pro Stunde [1, 4].
Bewegung mit niedriger Intensität umfasst Aktivitäten, die nicht zu einem wesentlichen Anstieg der Herz- oder Atemfrequenz führen. Hierunter fallen beispielsweise langsames Gehen, leichte Haushaltstätigkeiten oder stehendes Arbeiten am Schreibtisch. Der Energieaufwand beträgt zwischen 1,5 und 3 METs, die Belastungsintensität auf der 10-stufigen Foster-Skala, die sich an der persönlichen Leistungsfähigkeit einer Person orientiert, entspricht dies in etwa einem Wert von 4 [1].
Bei Bewegung mittlerer Intensität ist die Atemtätigkeit etwas vermehrt, aber in der Regel schwitzt man noch nicht oder nur sehr wenig. Es kann noch geredet, aber nicht mehr gesungen werden. Eine mittlere Intensität liegt beispielsweise vor bei zügigem Gehen, Velofahren, Gartenarbeiten oder im Winter Schneeschaufeln. Der Energieaufwand beträgt 3–6 METs, entsprechend einem Wert von 5 oder 6 auf der 10-stufigen Foster-Skala. Bewegung ab dieser Intensität werden als gesundheitswirksam angesehen [1].
Bewegung mit hoher bzw. sehr hoher Intensität umfasst Aktivitäten, die die grossen Muskelgruppen beanspruchen, z.B. Jogging, zügiges Velofahren, Schwimmen, Skilanglaufen oder Krafttraining an Fitnessgeräten, bei denen man ins Schwitzen kommt und die Atmung beschleunigt ist. Der Energieaufwand beträgt mehr als 6 METs, entsprechend einem Wert von 7 oder 8 auf der 10-stufigen Foster-Skala. Eine sehr hohe Intensität, entsprechend einem Wert von 9 oder 10 auf der 10-stufigen Foster-Skala liegt vor bei Krafttraining mit Gewichten oder Sprints bergauf [1, 4].
Abbildung 1 fasst die Intensitätsbereiche mit Beispielen von Alltags-, Bewegungs- und Sportaktivitäten nochmals zusammen [1].
Abbildung 1: Intensitätsbereiche mit Beispielen von Alltags-, Bewegungs- und Sportaktivitäten entsprechend (mit freundlicher Genehmigung des Bundesamtes für Sport BASPO [1]).
© BASPO

Sport und Bewegung in der Prävention kardiometabolischer Erkrankungen

Mit regelmässiger körperlicher Aktivität kann das Risiko für das Auftreten einer Reihe von Erkrankungen signifikant verringert werden. Gesundheitswirksame Effekte einer regelmässigen körperlichen Aktivität sind für eine Vielzahl chronischer Erkrankungen gezeigt worden. Am Beispiel ausgewählter kardiometabolischer Erkrankungen sollen die Zusammenhänge zwischen dem Ausmass der Bewegung und den präventiven bzw. therapeutischen Effekten beispielhaft aufgezeigt werden.
So zeigen Daten aus 29 Studien an über 330000 Patientinnen und Patienten, dass das Risiko für eine arterielle Hypertonie bei körperlicher Freizeitaktivität von mittlerer Intensität im Umfang von 150 Minuten pro Woche (entsprechend ca. 10 MET-Stunden/Woche), also dem Umfang, den die nationalen und internationalen Richtlinien empfehlen, gegenüber Patientinnen und Patienten, die inaktiv sind, um ca. 6% sinkt. Diese Risikoreduktion war bei höherer körperlicher Aktivität noch ausgeprägter. So war eine körperliche Aktivität im Umfang von 20 MET-Stunden/Woche mit einer Risikoreduktion von 12% und körperliche Aktivität im Umfang von 60 MET-Stunden/Woche sogar mit einer Risikoreduktion von 33% assoziiert [1, 4, 5].
Ähnliche Resultate ergab eine Meta-Analyse, die untersuchte, ob eine regelmässige körperliche Aktivität das Auftreten eines Diabetes mellitus verhindern kann und Daten von über 1,2 Millionen Patientinnen und Patienten einschloss. Dieser Arbeit lagen 28 prospektive Studien zur körperlichen Aktivität in der Freizeit und gesamten körperlichen Aktivität zugrunde. Eine moderat intensive körperliche Freizeitaktivität im Umfang von 10 MET-Stunden/Woche war mit einer Risikoreduktion vom 17% assoziiert. Eine moderate intensive körperliche Aktivität im von den nationalen und internationalen Richtlinien empfohlenen Umfang von 150 Minuten/Woche (in dieser Review entsprechend 11,25 MET-Stunden/Woche) war im Vergleich zu inaktiven Patientinnen und Patienten mit einer Risikoreduktion für einen neu auftretenden Diabetes mellitus von ca. 26% assoziiert. Eine Verdoppelung der körperlichen Aktivität senkte das Risiko um 36%, bei einer Aktivität von 60 MET-Stunden/Woche sogar um 53% [1, 4, 6].
Regelmässige körperliche Aktivität ist damit nicht nur in Bezug auf die Therapie, sondern auch in Bezug auf die Verhinderung von kardiovaskulären Risikofaktoren von Bedeutung. Gleiches gilt für die Prävention der koronaren Herzkrankheit wie auch der Herzinsuffizienz. Eine schon etwas ältere Meta-Analyse zeigte, dass eine moderat intensive körperliche Aktivität im Umfang von 150 Minuten/Woche mit einem um 14% geringeren Risiko für eine koronare Herzkrankheit assoziiert war, eine Verdoppelung sogar mit einer 20%igen Risikoreduktion [7]. Eine erst kürzlich publizierte Arbeit, die acht Studien mit knapp über 20 000 Personen einschloss, konnte darüber hinaus zeigen, dass eine regelmässige körperliche Aktivität auch bei über 60-Jährigen vor einer koronaren Herzkrankheit schützt. In dieser Meta-Analyse wurde als Bezugsgrösse die tägliche Schrittzahl gewählt. Hier war eine körperliche Aktivität im Umfang von 6000 bis 10000 Schritten pro Tag mit einer Risikoreduktion von 40–45% gegenüber einer körperlichen Aktivität im Umfang von 2000 bis 3000 Schritten täglich assoziiert [8]. Auch in Bezug auf Verhinderung der Herzinsuffizienz kann eine regelmässige körperliche Aktivität hilfreich sein. Daten einer Meta-Analyse legen nahe, dass eine bis zu 26%ige Risikoreduktion mit einer körperlichen Freizeitaktivität im Umfang von 15–20 MET-Stunden/Woche erreicht werden kann. Eine höhere Aktivität hatte keine zusätzlichen Effekte [9].
In der Arbeit von Garcia et al. aus dem Jahr 2023, in der 196 Studien eingeschlossen wurden, die 94 Kohorten mit mehr als 30 Millionen Personen umfassten, zeigte sich, dass die höchste inkrementale Risikoreduktion bei einer körperlichen Aktivität im Umfang von 8,75 MET-Stunden/Woche (entsprechend den in den nationalen und internationalen Richtlinien empfohlenen 150 Minuten/Woche körperlicher Aktivität mit mittlerer bis höherer Intensität) gegenüber inaktiven Patientinnen und Patienten zu verzeichnen war. Ein weiterer günstiger Effekt hinsichtlich Erkrankungsrisiko war bis zu einer körperlichen Aktivität im Umfang von ca. 15 MET-Stunden/Woche für das Auftreten einer koronaren Herzkrankheit oder eines Strokes bzw. 22 MET-Stunden/Woche für das Auftreten einer Herzinsuffizienz nachweisbar. Eine darüberhinausgehende körperliche Aktivität hatte nur noch einen marginalen zusätzlichen Effekt [10].
Hinsichtlich der Gesamt- und kardiovaskulären Mortalität konnte die bereits oben erwähnte Meta-Analyse von Garcia et al. zeigen, dass auch hier eine moderat intensive körperliche Aktivität im Umfang von 8,75 MET-Stunden/Woche bereits mit einer hochsignifikanten Reduktion assoziiert ist. Die Gesamtmortalität sinkt weiter bis zu einer körperlichen Aktivität im Umfang von ca. 15 MET-Stunden/Woche, für die kardiovaskuläre Mortalität beträgt der Wert 22 MET-Stunden/Woche, ab der eine darüberhinausgehende körperliche Aktivität hatte nur noch einen marginalen zusätzlichen Effekt hat [4, 10].

Sport und Bewegung in der Therapie kardiometabolischer Erkrankungen

Der blutdrucksenkende Effekt von körperlicher Aktivität konnte in einer Vielzahl von Arbeiten nachgewiesen werden. Börjesson et al. zeigten, dass eine regelmässige körperliche Aktivität mit mittlerer bis höherer Intensität den Blutdruck im Mittel um 11/5 mmHg senken kann, wobei die höchste Blutdrucksenkung bei einer Dauer der körperlichen Aktivität zwischen 40–60 Minuten und einer Frequenz von 3× pro Woche beobachtet wurde. Auch dynamisches Widerstandstraining kann den Blutdruck senken, wenn auch in etwas geringerem Ausmass [11].
Für die Effekte einer regelmässigen körperlichen Aktivität bei Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 ergibt sich ein ähnliches Bild. Körperliche Aktivität von mittlerer Intensität in einem Umfang von 3–4× wöchentlich 30–60 Minuten (entsprechend im Mittel 11,8 MET-Stunden/Woche) resultierte in einer Reduktion des HbA1c von 0,66% und lag damit in einem Bereich, in dem eine signifikante Reduktion diabetischer Komplikationen zu erwarten ist [12] (siehe Abb. 2).
Abbildung 2: Inzidenz- und Mortalitätsrisiko in Abhängigkeit von der körperlichen Aktivität.
A) Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und der Inzidenz für arterielle Hypertonie und Diabetes, modifiziert nach [5, 6].
B) Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und kardiovaskulärer und Gesamtmortalität, modifiziert nach [10].
Schlagen sich diese günstigen Effekte der körperlichen Aktivität auch in einer Risikoreduktion bei nachgewiesener koronarer Herzkrankheit zw. Herzinsuffizienz nieder? Diese Frage kann eindeutig mit «Ja» beantwortet werden. Patientinnen und Patienten nach Herzinfarkt und Revaskularisierung profitieren signifikant von einer auf das individuelle Risikoprofil abgestimmten bewegungsbasierten kardialen Rehabilitation mit einer Reduktion der kardiovaskulären Mortalität um 26%, einer Reduktion erneuter Spitaleinweisungen von 18% und einer Reduktion des Reinfarktrisikos um 10% [13]. Bei Personen mit Herzinsuffizienz ist durch eine ebenfalls risikoadaptierte bewegungsbasierte kardiale Rehabilitation eine Riskoreduktion für Rehospitalisationen sowie eine verbesserte körperliche Belastbarkeit und Lebensqualität, jedoch keine Reduktion der Mortalität belegt [4, 14] (siehe Abb. 2).

Kann man sich zu viel bewegen?

Die Empfehlungen der nationalen und internationalen Richtlinien für die minimale gesundheitswirksame körperliche Aktivität sind sehr gut belegt. Wie verhält es sich nun am anderen Ende des Leistungsspektrums? Ist eine hohe Trainingsfrequenz assoziiert mit weiteren positiven Effekten auf die Gesundheit? Oder wird ein kontinuierliches Mehr an Bewegung irgendwann sogar schädlich?
Zunächst scheint eine Steigerung der körperlichen Aktivität über einen Schwellenwert hinaus in der überwiegenden Zahl der Meta-Analysen nicht mit einer Steigerung der Mortalität assoziiert zu sein. Allerdings ist die Zunahme der günstigen Effekte, zumeist ab dem Bereich von 15-20 MET-Stunden/Woche, nur noch marginal [10]. Allerdings gibt es auch Hinweise, dass die günstigen Effekte ab einem Schwellenwert zumindest nicht weiter zunehmen oder sogar wieder abnehmen können. Dies legen zumindest die Ergebnisse einer Meta-Analyse von Arem et al. nahe, die den Zusammenhang zwischen Mortalität und körperlicher Aktivität untersuchte [15]. Mit dem Leistungssport assoziierte elektrische, strukturelle und funktionelle Anpassungen des Herzens unterstützen eine anhaltende Steigerung der Herzleistung über längere Zeiträume und machen diese natürlich auch erst möglich. Solche Veränderungen werden im Allgemeinen als gutartig angesehen, können sich aber mit den phänotypischen Manifestationen einer Kardiomyopathie überschneiden, die die häufigste Ursache für einen plötzlichen Herztod bei jungen Leistungssportlern ist. Zudem weisen immer mehr Befunde der letzten Jahre darauf hin, dass langfristiges, intensives Ausdauertraining mit Herzrhythmusstörungen, Myokardfibrose und möglicherweise koronarer Herzkrankheit assoziiert sein könnte [16]. Eine kürzlich publizierte Studie zeigte, dass eine lebenslange hoch-intensive ausdauersportliche Aktivität (> ca. 80 MET-Stunden/Woche) im Vergleich zu einer mässig intensiven körperlichen Aktivität (ca. 15 MET-Stunden/Woche) bei gesunden 50–60-Jährigen nicht mit einer günstigeren Zusammensetzung der koronaren Plaques verbunden ist. Die untersuchten hoch-intensiv trainierenden Sportlerinnen und Sportler hatten mehr koronare Plaques, darunter mehr nicht verkalkte und gemischte Plaques sowie Plaques in proximalen Segmenten mit signifikanter Stenosierung als gleichaltrige, die mässig intensiv trainierten. Die Autorinnen und Autoren spekulierten, dass die Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Ausdauertraining und koronarer Atherosklerose möglicherweise umgekehrt J-förmig sein könnte [17]. Zudem weist eine im Jahr 2020 publizierte Studie mit dem provokanten Titel «Jung stirbt, wen die Götter lieben?» darauf hin, dass bei ehemaligen westdeutschen Olympia-Teilnehmenden im Alter zwischen 35 und 64 Jahren das Sterberisiko nahezu doppelt so hoch ist wie in der gleichaltrigen Durchschnittsbevölkerung [18].

Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass regelmässige Bewegung die Entstehung vieler chronischer Erkrankungen verhindern kann und einen Eckpfeiler zur Verlangsamung des Fortschreitens dieser Erkrankungen darstellt. Jede Bewegung ist wichtig und senkt das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Todesfälle. Gesundheitswirksamkeit ist bei einer moderat intensiven Ausdauerbewegung im Umfang von mindestens 150 Minuten/Woche bzw. einer hoch-intensiven von mindestens 75 Minuten/Woche zu erwarten. Eine darüberhinausgehende körperliche Aktivität ist in einem gewissen Umfang mit weiteren gesundheits¬wirksamen Effekten assoziiert, der Zuwachs wird jedoch mit zunehmender Steigerung geringer.
Ob es eine Grenze der körperlichen Belastung gibt, ab der diese potenziell schädlich wird, kann derzeit nicht mit Sicherheit bestätigt, aber auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Hier sind weitere Forschungsarbeiten notwendig (Abb. 3). Bis diese Ergebnisse vorliegen, sollten wir uns an ein Zitat erinnern, welches Hippokrates von Kos (ca. 460–377 v. Chr.) zugeschrieben wird, und das den Umgang mit körperlicher Aktivität sehr gut zusammenfasst:
«Wenn wir jedem Individuum das richtige Mass an Nahrung und Bewegung zukommen lassen könnten, hätten wir den sichersten Weg zur Gesundheit gefunden.»
Abbildung 3: Aktivitätsumfang in der Freizeit und Mortalitätsrisiko. Bei Aufnahme einer regelmässigen körperlichen Aktivität ist die Senkung des Mortalitätsrisikos relativ am grössten. Bei Steigerung über die Mindestempfehlungen bleibt die Mortalitätsreduktion erhalten, der zusätzliche Effekt bei weiterer Steigerung der Aktivität jedoch immer geringer. Ob bei sehr hohem Umfang der körperlichen Aktivität ein weiterer positiver Effekt oder eine Schädigung zu erwarten ist (rechter Teil der Kurve), muss derzeit offenbleiben.
Prof. Dr. med. Thomas Dieterle
dieterlet[at]googlemail.com
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Conflict of Interest Statement
Der Autor hat deklariert, keine potentiellen Interessenskonflikte zu haben.