Ach, wie leidet ein gewöhnlicher Doktor unter seiner eigenen Erkältung! Taschentuch um Taschentuch wandert in den Wäschekorb, der Kopf ist dumpf, die sonst sonore Stimme wechselt zwischen Falsett und Kettenrauchersound. Nächtliche Hustenanfälle lassen das Ehebett erbeben und zwingen ihn, um vier Uhr morgens heisse Milch mit Honig zu schlürfen. Werte Damen, für einmal heisst es nicht: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird hier nur die männliche Form verwendet, die weibliche ist gleichermassen damit gemeint. Nein, hier sprechen wir explizit von männlichen kranken Wesen; denn wie mir eine meiner drei Töchter mit unverhohlener Genugtuung erklärte, gäbe es im Angelsächsischen ein Diktum, dass es ein Glück sei, dass die Frauen den Geburtsschmerz erführen, denn nur so könnten sie ahnen, wie sehr der Mann an einer Erkältung leide! Ja, natürlich, sie ist Krankenschwester, wie meine Frau auch, und die kennt man als unerbittliches Gegenüber, mitleidlos-sachlich und mit leicht spöttischem Blick das tägliche Krankenheitsbulletin des Vaters resp. Ehemanns entgegennehmend. Die Flucht in die Praxis hilft auch nicht, denn dort ist man dem Zynismus der Kundschaft ausgesetzt. So, so, den Doktor hat’s auch erwischt, aber, aber. Oder noch besser: Sie sollten aber zum Arzt gehen usw. Da sind sie, die genüsslichen Retourkutschen, die ich in meinem Elend gar nicht humorig finde. Ich murmle dann jeweils etwas davon, dass auch ein Pfarrer in die Hölle kommen könne, oder dass ich zweimal pro Saison auch etwas zu Gute hätte und derlei dumme Antworten. Insgeheim denke ich aber, dass ich sicher kränker sei als die Hälfte meiner – heute gar nicht so – lieben Patienten. Und so schleppe ich mich durch die Sprechstunde, krächzend und ungeduldig, und meine einzige Genugtuung ist, dass ich bei besonders schwierigen Chronophagen (die meist hypochondrisch sind) einen Mundschutz trage und darunter hervor – während ich meine Hände demonstrativ lange desinfiziere – mit dumpfer Stimme verlauten lasse, dass wir es heute kurz halten wollten. Die Ansteckungsgefahr hänge nämlich unter anderem von der Expositionsdauer mit Keimen ab. Das ist dann ein einsames Highlight eines tristen Vormittages. Ach, und die Therapien. Es gibt ja nichts Cochrane-würdiges, das wirklich hilft. Und doch will auch ich etwas schlucken. Also 3 × 30 Phytotröpfchen und einen Hustensirup für die Nacht, der mich Abstinenzler für ein paar Stunden regelrecht abmeldet. Heldenhaft verzichte ich auf ein Antibiotikum (das ja sowieso nichts nützen würde). Dafür nehme ich ab und zu ein Schmerzmittel gegen Kopf-, Hals- und Gliederschmerzen. Nicht einmal Fieber habe ich, was meinen erbärmlichen Zustand besser legitimieren würde. Die einzigen echt mitmenschlichen Wesen sind die guten MPAs, die aufgrund meines Falten- und Lidspaltenfaktors (das heisst, das Gesicht zerfurcht wie eine Wettertanne und winzige Augen) wissen, was es geschlagen hat. Ich darf zum Znüni nicht einmal den Kaffee selbst herauslassen – ihr Mitleid ist eine Wohltat!
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