Lymphödem – warum treten Schwellungen auf und was kann ich dagegen tun?
Lymphödeme verstehen und behandeln
Peer-review

Lymphödem – warum treten Schwellungen auf und was kann ich dagegen tun?

Originalarbeit
Ausgabe
2024/03
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2024.1385959945
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2024;24(03):61-66

Affiliations
Földiklinik GmbH & Co. KG, Europäisches Zentrum für Lymphologie, Hinterzarten, Deutschland

Publiziert am 06.03.2024

Frühzeitiges Erkennen der Anzeichen und Symptome eines Lymphödems sind entscheidend, um die richtige Therapie einzuleiten und einen weiteren Progress der Erkrankung zu verhindern. Das Lymphödem ist eine chronische, fortschreitende Erkrankung, die meist eine lebenslange Behandlung durch ein multidisziplinäres Team erfordert. Wenn frühzeitig eingegriffen wird, können Komplikationen des Lymphödems verhindert werden. Dieser Artikel beschreibt, wie das Lymphsystem arbeitet, wie man erkennt, ob überhaupt ein Lymphödem vorliegt, und beschreibt die derzeit empfohlenen Behandlungspfade, die für die Behandlung der Erkrankung und die Verbesserung der Lebensqualität der Patientinnen und Patienten unerlässlich sind.

Einführung

Das Lymphödem ist eine chronische Erkrankung, die durch eine anhaltende Schwellung in einem oder mehreren Teilen des Körpers gekennzeichnet ist. Die klinische Lymphologie befasst sich nicht nur mit Lymphödemen der Extremitäten, sondern auch des Kopfes, der Genitalien und der inneren Organe [1, 2]. Unbehandelt kann das Lymphödem fortschreiten und zu einer Verringerung der Lebensqualität, eingeschränkter Mobilität, reduzierter Funktionsfähigkeit, irreversiblen Hautveränderungen, verminderter Belastbarkeit und erhöhtem Infektionsrisiko führen (Abb. 1) [3, 6] . Lymphödeme können z.B. durch akute Erysipele zu einem Akutkrankenhausaufenthalt führen.
Symptome eines Lymphödems werden häufig falsch diagnostiziert oder zu spät erkannt [7]. Eine verzögerte oder nicht optimale Behandlung führt für viele Patientinnen und Patienten zu einem langen Leidensweg. Kenntnisse der Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie sowie Kenntnis der Ursachen sind für die Diagnose notwendig, damit eine frühzeitige Behandlung eingeleitet werden kann. Durch das frühzeitige Erkennen der Anzeichen eines Lymphödems und den Zugang zu einer leitliniengerechten Therapie, kann der Verlauf des Lymphödems günstig beeinflusst und das Risiko für Folgekomplikationen reduziert werden [1].
Abbildung 1: Schlecht oder gar nicht behandelte Lymphödeme können fortschreiten und erhebliche körperliche und seelische Belastungen verursachen.

Das Lymphsystem

Ein Lymphödem entsteht, wenn der Anfall an Flüssigkeit im Interstitium (= im Zwischenzellraum) die Kapazität (die Abtransportleistung) des Lymphsystems übersteigt [4, 8]. Das Lymphsystem ist ein Einbahnstrassensystem, das mit dem Blutkreislaufsystem zusammenarbeitet [9]. Es besteht aus einem Netzwerk von initialen Lymphgefässen, die die proteinreiche Flüssigkeit aus dem Unterhautgewebe aufnehmen und in Sammelgefässe leiten, die die Lymphe transportieren [10]. Die Lymphsammelgefässe (= Kollektoren) arbeiten unabhängig vom Kreislaufsystem durch Kontraktion ihrer glatten Muskulatur. Dies ermöglicht die rhythmische Bewegung der Lymphe gegen die Schwerkraft. Die eiweissreiche Lymphflüssigkeit durchläuft dann die regionären Lymphknoten, die als Filterstationen fungieren und Immunantworten ermöglichen [11]. Schliesslich laufen die Lymphgefässe in zentralen Lymphgefässen zusammen, die die Lymphflüssigkeit in beiden Venenwinkeln in den venösen Kreislauf zurückführen [11].
Lymphflüssigkeit ist das Ergebnis der Kapillarfiltration des Blutes. Der Druck in den Blutkapillaren drückt Flüssigkeit aus den Kapillaren. Diffusion führt dann zu einer Bewegung von einem Bereich mit höherer Konzentration in einen Bereich mit niedrigerer Konzentration. Diese Flüssigkeitsbewegung ist als Starling's Gesetz seit dem 19. Jahrhundert bekannt, das besagt: «Unter normalen Bedingungen ist die Flüssigkeitsmenge, die die Kapillare verlässt, identisch mit dem Lymphfluss, und das Gewebegewicht/-volumen bleibt konstant. Der Lymphfluss nimmt typischerweise zu, wenn der Kapillardruck steigt, was wiederum die Flüssigkeitsfiltration aus dem Gefässraum erhöht» (S. 24) [12]. Das Starling’s Gesetz wurde überarbeitet, da neuere Forschung zeigte, dass unter normalen Umständen keine Resorption auf venöser Seite existiert. Das bedeutet, dass die gesamte filtrierte interstitielle Flüssigkeit in das Lymphsystem gelangt und zu «Lymphe» wird [13]. Damit hat jedes Ödem auch eine lymphatische Komponente.
Es gibt drei Hauptfunktionen des Lymphsystems. Die erste besteht darin, den Flüssigkeitshaushalt aufrechtzuerhalten, indem Flüssigkeit aus den Geweberäumen gesammelt und zurück in den Blutkreislauf transportiert wird [10, 12], wodurch Flüssigkeitsansammlungen (Ödeme) im Gewebe verhindert werden. Zweitens absorbieren die intestinalen Lymphgefässe Proteine, Fette und fettlösliche Vitamine aus dem Dünndarm, und schliesslich sorgt es für eine Immunabwehr durch die Funktion der zwischengeschalteten Lymphknoten, um potenziell schädliche Bakterien, Viren und Tumorzellen zu bekämpfen [14]. Darüber hinaus erleichtert der Lymphtransport die Versorgung der Zellen mit Nährstoffen und steuert die Verfügbarkeit von Proteinen, Peptiden und anderen Makromolekülen [15].

Lymphödem

Ödeme entstehen durch ein Ungleichgewicht zwischen der kapillaren Filtration (= Lymphbildung) und dem Lymphabfluss (= Lymphtransport) aus dem interstitiellen Raum [16]. Eine Reihe von Erkrankungen führt zum Versagen des Lymphsystems und damit zu Schwellungen. Erhöhter Kapillardruck durch Erkrankungen wie venöse Klappeninsuffizienz (= CVI) oder Postthrombotisches Syndrom (PTS), Immobilitätssyndrom mit Verlust der Muskelpumpe, und eine dekompensierte Rechtsherzinsuffizienz verursachen einen erhöhten osmotischen Gradienten über die Kapillarwand [17]. Seit geraumer Zeit ist es besonders die Problematik der erheblichen Adipositas, die zu einer Schädigung des Lymphsystems führt. Dadurch entsteht ein Flüssigkeitsungleichgewicht, das nicht abfliesst. Wenn eine Stase auftritt, kommt es zu einer Schwellung. Dieser Zustand wird als multikausales Lymphödem bezeichnet. Adipositas ist dabei einer der wesentlichen Lymphöden verursachenden Faktoren. Das multikausale Lymphödem ist meist symmetrisch. Zu Beginn ist es oft noch eiweissarm und damit leicht dellbar.
Eine angeborene Fehlbildung der lymphatischen Strukturen wird als primäres Lymphödem bezeichnet. Sekundäre Lymphödeme entstehen durch Schädigungen, Traumata oder Eingriffe an den Lymphgefässen oder -knoten, z. B. während einer onkologischen Behandlung. Dies führt dazu, dass die anfallende Menge Lymphedie Lymphtransportkapazität übersteigt [4]. Die meisten primären und sekundären Lymphödeme sind nicht symmetrisch und führen durch den hohen Eiweissgehalt zu sekundären Gewebsveränderungen, d.h. das Gewebe verhärtet sich, man spricht dabei von eine Fibrose.
Der Beginn eines manifesten Lymphödems kann jederzeit auftreten. Bei Krebspatientinnen und Krebspatienten kann es während der akuten Krebsbehandlung (OP, Bestrahlung, Chemotherapie), nach Abschluss der Behandlung oder erst nach Monaten oder sogar Jahren auftreten [2]. Auch beim primären Lymphödem kann es selten von Geburt an vorhanden sein oder später im Leben z.B. durch hormonelle Veränderungen in der Pubertät oder eine Bagatell-Verletzung ausgelöst werden [18].

Diagnose

Während das primäre Symptom eines Lymphödems immer eine Schwellung ist, ist es wichtig, daran zu denken, dass nicht jede Schwellung ein Lymphödem ist [19]. Ein Ödem ist nur ein Symptom und manifestiert sich als sichtbare und tastbare Schwellung, die durch eine Zunahme der Flüssigkeit im Interstitium verursacht wird. Lymphödeme sind jedoch ein eigenständiges Krankheitsbild [1].

Frühe Erste Anzeichen

Schnelles Handeln kann ein beginnendes Lymphödem rückgängig machen und dazu beitragen, das Risiko für die Entwicklung eines schweren Lymphödems zu verringern.
Zu den Frühwarnzeichen gehören:
  • Spannungs-, Schweregefühl im Laufe des Tages
  • Schmerzen im betroffenen Bereich
  • Schwellungen, die kommen und gehen oder sich am Ende des Tages bemerkbar machen (oder beim Aufwachen bei Lymphödemen an Kopf und Hals)
  • Engere Kleidung, Schuhe oder Schmuck führen zu Hautabdrücken
  • Eingeschränkte Beweglichkeit der Gliedmasse
  • Dellbare Hautveränderungen

Diagnose eines Lymphödems

Es ist wichtig, eine gründliche Anamnese zu erheben und den Grad der Schwellung und eventuelle Dellbarkeit der Haut und des Unterhautgewebes Verdickung der Haut zu überprüfen (Abb. 2). Der Umfang der betroffenen Gliedmasse muss mit der anderen Gliedmasse verglichen und etwaige Unterschiede dokumentiert werden. Ein wichtiges Kriterium zur Diagnose eines Lymphödems ist dabei das Stemmer’sche Zeichen, d.h. die nicht mehr leicht abhebbare Hautfalte über den Zehen. Eine Reihe von Massnahmen, die zur Sicherung der Diagnose zur Verfügung stehen, sind in Tabelle 1 aufgeführt [20].
Abbildung 2: Ein Dellentest kann das Vorhandensein eines Ödems anzeigen.
Apparative Verfahren wie die Lymphszintigraphie können für eine Diagnose eingesetzt werden [21] und die ICG-Fluoroskopie kann frühe Hinweise auf geschädigte oberflächige Lymphbahnen liefern [22, 23].

Diagnose eines Lymphödems

Das Lymphödem wird von 0 (initial) bis 3 (am schwersten) eingeteilt (Abb. 3). Ab Stadium I Lymphödems bedarf es einer kontinuierlichen Behandlung und Pflege [1, 5, 20].
  • Stadium 0 ist das subklinische Lymphödem. Dies stellt ein Risiko für die Entwicklung eines klinischen Lymphödems dar. Frühe Veränderungen der Gewebsflüssigkeitsansammlung können nur mit Hilfe von Bioimpedanzmessungen nachgewiesen werden. Klinisch besteht noch keine Umfangsdifferenz zur gesunden Seite.
  • Im Stadium I ist die Schwellung reversibel, z.B. durch Hochlagern der betroffenen Gliedmasse in der Nacht. Das Ödem fühlt sich teigig und weich an, typischerweise ist der Dellentest positiv.
  • Ab Stadium II wird die Schwellung chronisch (d.h. irreversibel). Neben der reinen Umfangs- bzw. Volumenzunahme der betroffenen Gliedmasse kommt es auch zu einer chronisch entzündlichen Veränderung des Interstitiums. Als Folge der chronischen Lymphostase entsteht die lymphostatischen Fibrose. Dabei handelt es sich um eine Verhärtung der Haut und des Unterhautgewebes. Der Dellentest wird immer schwieriger durchzuführen und erfordert mehr Druck.
  • Das Lymphödem im Stadium III hat die gleichen Merkmale wie das Stadium II, nur ist der Schweregrad viel ausgeprägter und kann zu Behinderungen/und stark eingeschränkter Funktionsfähigkeit der Gliedmasse führen.
Abbildung 3: Die Stadien des Lymphödems. A) Stadium 1 B) Stadium 2 C) Stadium 3
D) Stadium 1 E) Stadium 2 F) Stadium 3

Differenzialdiagnose Lipödem?

In den letzten Jahren gab es in Bezug auf das Lipödem erhebliche Fortschritte im Wissen und in der Folge zahlreiche Veröffentlichungen. Das Lipödem ist gekennzeichnet durch eine disproportionale symmetrische und schmerzhafte subkutane Fettansammlung bei Frauen, insbesondere der unteren Extremitäten [24]. Die wichtigsten Unterschiede zwischen Lipödem und Lymphödem sind in Tabelle 2 zusammengefasst und können in Abb. 4 gesehen werden.
Abbildung 4: Lipödem vs Lymphödem.
Das reine Lipödem ist keine lymphologische Erkrankung und daher ist die manuelle Lymphdrainage (MLD) bei der Reduzierung des Gliedmassenvolumens nicht wirksam. Das reine Lipödem wird daher nicht mit MLD behandelt, sondern mit Kompression, Bewegung, psychologischer Intervention und Gewichtsmanagement. Bis zu einem BMI unter 35 kg/m² kann auch die Liposuktion indiziert sein.

Komplikationen

Wichtigste Komplikation des Lymphödems ist die Erysipel-Infektion. Frühe Anzeichen einer Infektion, wie Rötung, Überwärmung und Schmerzen, müssen umgehend mit Antibiotika behandelt werden. Vorbeugend wird eine gute Hautpflege empfohlen. Pilzinfektionen im Zwischenzehenbereich sowie erweiterte Hautlymphgefässe (=Lymphzysten) müssen behandelt und desinfiziert werden, um eine Erysipel-Infektion zu verhindern.

Behandlung

Ziel der konservativen Lymphödem Behandlung (Komplexe Physikalische Entstauungstherapie = KPE) ist es, den Fluss der Lymphe im betroffenen Bereich zu unterstützen, die Schwellung zu reduzieren und die Versorgung des geschwollenen Gewebes zu verbessern. Die Verringerung der Schwellung senkt das Infektionsrisiko, macht die Bewegung einfacher und verbessert das Wohlbefinden. Es ist wichtig zu beachten, dass es keine isolierte Massnahme für Lymphödeme gibt. Es erfordert einen multidisziplinären Ansatz und eine Kombination der Behandlungsstrategien, um das Fortschreiten des Lymphödems zu verhindern (Abb. 5).
Abbildung 5: Primäres Lymphödem der unteren Gliedmassen mit Hautveränderungen, vor und nach multidisziplinärer Behandlung.

Kompressionstherapie

Die Kompressionstherapie ist der wichtigste Bestandteil der Lymphödem Behandlung [25]. Kompression kann Schwellungen reduzieren und fibrotisch verändertes Gewebe erweichen. Die Kompression muss kontinuierlich verwendet werden. Wenn sie gestoppt wird, kehrt die Schwellung in der Regel nach kurzer Zeit zurück. Die richtige Auswahl an Kompression und das richtige Material sind von entscheidender Bedeutung. Nur gut passende und regelmässig erneuerte Kompressionsstrümpfe können den gewünschten Effekt erreichen [26]. Beispiele für nicht mehr wirksame Kompression sehen sie auf Abb. 6. Bei ungewöhnlich geformten Beinen oder fortgeschrittenen Stadien des Lymphödems sind flachgestrickte Kompressionsstrümpfe als Massanfertigung erforderlich.
Abbildung 6: Schlecht sitzende Kompressionskleidung kann zusätzliche Schwellungen verursachen.

Arten der Kompressionstherapie

a. Kompressionsverbände und Bandagen
  • Wird häufig in der intensiven Behandlungsphase verwendet (Entstauungsphase)
  • Regelmässig, d.h. anfangs täglich erneuert, da die Schwellung zurückgeht
  • Muss je nach Ödemschweregrad Tag und Nacht (20 – 22 h) getragen werden
b. Kompressionsstrümpfe (meist flachgestrickt nach Massanfertigung)
  • Wird verwendet in der Erhaltungsphase (= Phase II)
  • Tagsüber möglichst schnell nach dem Aufstehen anziehen; In fortgeschrittenen Stadien kann eine Nachtkompression erforderlich sein.
c. Intermittierende pneumatische Kompression (IPK)
  • Um die betroffene Stelle wird eine Manschette gelegt, die sich mechanisch aufbläst, um den Lymphfluss anzuregen
  • Kann zu Hause nach Anleitung eines Lymphödem-Therapeuten angewendet werden

Manuelle Therapie des Lymphödems

Die manuelle Lymphdrainage (MLD) ist eine spezielle Art der Massage, bei der Flüssigkeit zu den Lymphknoten transportiert wird, die normal abfliessen. Während die Technik in der Regel von einem Lymphödem-Therapeuten durchgeführt wird, kann die Patientin oder der Patient nach Anleitung die Technik vereinfacht selbst erlernen und zu Hause durchführen.
Bei fortgeschrittenen Lymphödemstadien ist die reine manuelle Lymphdrainage nicht mehr ausreichend und muss mit intensiveren manuellen Griffen ergänzt werden («Fibrose Lockerungsgriffe»). Auch Hilfsmittel wie z.B. eine Fibrose-Rolle können eingesetzt werden.

Bewegung

Körperlich aktiv zu sein unterstützt den Fluss der Lymphflüssigkeit durch die aktivierte Muskelpumpe. Bewegung und Sport verschlimmern das Lymphödem nicht und erhöhen auch nicht die Schwere der Symptome [27, 28]. Jede regelmässige Bewegung (z. B. Schwimmen, Yoga, Radfahren oder Spazierengehen) ist hilfreich und sollte gefördert werden, ebenso wie Aktivitäten wie Gartenarbeit und Hausarbeit. Übungen im Wasser können sehr hilfreich sein, da sie auch gleichzeitig Kompression bieten.

Hautpflege

Eine gute Hautpflege ist unerlässlich, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Kleine Verletzungen müssen desinfiziert und jede Infektion unverzüglich behandelt werden. Das Tragen der Kompressionsstrümpfe macht durch Austrocknung der Haut eine gute Hautpflege nach Ausziehen der Strümpfe erforderlich.

Aufrechterhaltung eines gesunden Körpergewichts

Übergewicht ist einer der Haupt- Risikofaktoren sowohl für die Entwicklung eines Lymphödems als auch für die Verschlechterung eines bestehenden Lymphödems.

Chirurgie

In den meisten Fällen wird das Lymphödem mit einer konservativen Therapie (KPE) behandelt. Für manche Patientinnen und Patienten können chirurgische Optionen indiziert sein [29]. Eine Operation kann z.B. durchgeführt werden, bevor Gewebeveränderungen zu fortgeschritten sind. Beispiele für Operationen bei Lymphödemen sind:
  • Lymphovenöse Anastomose (LVA) – Hierbei wird mikrochirurgisch ein neuer Weg geschaffen, auf dem die Lymphflüssigkeit aus dem gestauten Bereich in eine kleine Vene abfliessen kann [30].
  • Lymphknotentransfer (LNT) – Hierbei werden gesunde Lymphknoten von einem nicht betroffenen Bereich des Körpers in die betroffene Gliedmasse transplantiert.
  • Liposuktion – Bei manchen Menschen führt der Lymphstau in der Gliedmasse zu einer starken Fettgewebsvermehrung. Durch eine Liposuktion kann das Fettgewebe entfernt werden und die Gliedmasse wird an Umfang abnehmen. Eine Fettabsaugung heilt kein Lymphödem, aber sie kann es erleichtern, normale Kleidung zu tragen und aktiv zu sein [31].
Die Langzeitergebnisse dieser Operationstechniken bedarf weiterer Beobachtung und Forschung. Leider gibt es bisher kein Register für die derzeit durchgeführten Lymphchirurgischen Massnahmen.

Medikamente

Es gibt derzeit keine Daten für eine medikamentöse Behandlung von Lymphödemen [32].

Andere Behandlungsmodalitäten:

  1. Photobiomodulation oder PBM (früher bekannt als Low-Level-Lasertherapie) [33, 34].
  2. Taping - Kinesiologisches Tape kann besonders hilfreich in Bereichen wie Kopf und Nacken oder Rumpf sein, in denen reguläre Kompression schwierig anzuwenden ist [35, 36] .

Vorsichtsmassnahmen und Kontraindikationen

Gewichtszunahme und Infektionen haben sich als wesentliche Risikofaktoren für die Entwicklung eines Lymphödems erwiesen. Daher sollte den Patientinnen und Patienten geraten werden, einen aktiven Lebensstil beizubehalten und eine Gewichtszunahme zu vermeiden, wobei der Schwerpunkt auf regelmässiger Bewegung und gesunder Ernährung liegen sollte [38]. Es gibt einige Hinweise darauf, dass Hitze die Schwellung verschlimmern kann [39] Daher sollte den Patientinnen und Patienten geraten werden, im Sommer kalt zu duschen, während der heissesten Zeit des Tages drinnen zu bleiben, Sonnenbrand zu vermeiden und viel Wasser zu trinken. Tagsüber kann der Kompressionsstrumpf mit kaltem Leitungswasser besprüht werden.
Während die Kompressionstherapie derzeit der Goldstandard ist, kann sie für Menschen mit einer Reihe von Erkrankungen gefährlich sein, wie z. B. dekomensierter Herzinsuffizienz oder unkontrolliertem Bluthochdruck. Akute dermatologische Erkrankungen wie Ekzeme oder bakterielle Infektionen können ebenfalls das Tragen der Kompression verhindern. Eine fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit muss zuerst abgeklärt werden, bevor eine medizinische Kompressionstherapie eingeleitet werden darf.

Fazit und Empfehlungen

Das Lymphödem ist eine chronische, komplexe, fortschreitende Erkrankung, die eine sorgfältige Diagnose und angemessene Behandlung erfordert. Die Erkennung von Lymphödemen in frühen Stadien kann durch rasche Therapieeinleitung das Fortschreiten der Erkrankung zu einer schweren Verlaufsform mit drastischer Einschränkung der Lebensqualität verhindern. Das Lymphödem ist nicht heilbar und daher ist eine laufende Behandlung durch entsprechend qualifizierte Lymphödem-Therapeuten und Betreuung durch geschulte Ärztinnen und Ärzte erforderlich.

Statements

Funding Statement

Diese Studie erhielt keine Drittmittel.

Conflict of Interest Statement

Die Autorin und der Autor bestätigen, dass kein Interessenskonflikt besteht.

Author Contributions

Alle Autorinnen und Autoren haben in gleichem Masse zur Entwicklung dieses Artikels beigetragen, haben das eingereichte Manuskript gelesen und teilen die Verantwortung für alle Aspekte der Arbeit.
Susann Witt
Földiklinik GmbH & Co Kg
Europäisches Zentrum für Lymphologie
Rößlehofweg 2-6
D-79856 Hinterzarten
susan.witt[at]foeldiklinik.de
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