Strukturierte Weiterbildung im ­stationären Bereich

Aktuelles
Ausgabe
2022/02
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2022.10607
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2022;22(02):42-44

Publiziert am 09.02.2022

Sonografische Kompetenzen nehmen durch die Revision des Weiterbildungsprogramms im internistischen Alltag an Bedeutung zu. Doch wie können Kliniken sonografische Fähigkeiten ihres assistenz- und oberärztlichen Personals fördern? Im folgenden Beitrag wird ein Beispiel einer Umsetzung einer strukturierten Weiterbildung in der Sonografie anhand des Weiterbildungskonzeptes der Klinik für Innere Medizin des Universitätsspitals Basel aufgezeigt.

Point-of-Care-Ultraschall (POCUS)

Fallvignette

Der Patient auf der Station scheidet seit mehreren Stunden trotz einliegendem Dauerkatheter nicht aus. Die Nierenretentionswerte waren im morgendlichen Labor erstmals erhöht. Könnte ein postrenales Nierenversagen vorliegen? Wie ist es um den ­Volumenstatus des Patienten bestellt? Seit dem Morgen braucht er 2–4 Liter Sauerstoff über eine Nasenbrille. Hat er Pleura­ergüsse? Sind diese punktionswürdig? Die Transaminasen steigen, liegt dies an einer Rechtsherzinsuffizienz mit Leberstauung oder an der gestern begonnenen Antibiotikatherapie?
Nun, dieses Beispiel mag etwas verdichtet sein, jedoch führt es vor Augen, wie wichtig sonografische Fähigkeiten im klinischen Alltag sind, da diese bei allen oben genannten klinischen Fragestellungen weiterhelfen können.

POCUS – ein neuer Fachausweis für ­Internistinnen und Internisten

Der Einsatz des Ultraschalls hat sich in den letzten Jahren vor allem durch die Kompaktheit der neuen Geräte und die enorme Verbesserung der Bildqualität stark gewandelt. Ultraschall steht bettseitig unmittelbar zur Verfügung und kann sofort als weiterer Baustein zur Diagnosefindung oder Therapieanpassung eingesetzt werden. Dies führt zur genaueren und schnelleren Diagnosefindung direkt am Patientenbett.
Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, hat die Schweizerische Gesellschaft für Ultraschall in der ­Medizin (SGUM) per 1. Januar 2018 den Fähigkeitsausweis POCUS ergänzend zu den bereits bestehenden ­Fähigkeitsausweisen Sonografie eingeführt1. In 14 verschiedenen Teilgebieten können somit Fähigkeiten erworben werden, klinische Fragestellungen mit Hilfe der Sonografie zu beantworten2. Für die Internistin und den Internisten ist vor allem der Fähigkeitsausweis für den POCUS «Basis- und Notfallsonografie» (BNSF) für die im Stationsalltag auftretenden Fragestellungen interessant (Tab. 1).
Tabelle 1:
Inhalt des POCUS Basis- und Notfallsonografie.
Inhalt POCUS Basis- und Notfallsonografie
Grundkurs, praktische UntersuchungenLernziele, Themen
Grundkurs Fähigkeitsausweises Sonografie (SGUM), Modul «Abdomen»Indikationsstellung: Möglichkeiten und Grenzen des Ultraschalls in der ­Basis-Notfallsonografie
Basis-Notfallsonografie-Kurs (wird oft in Kombination mit obigem Grundkurs angeboten)Sterilitäts- und Hygienemassnahmen bei sonografisch gesteuerten Punktionen
200 durchgeführte Sonografien (davon die ersten 100 unter Supervision)Freie Flüssigkeit im Abdomen
Pleuraerguss
Perikarderguss
Pneumothorax
Abdominales Aortenaneurysma
Cholezystolithiasis, Cholezystitis
Nierenstauung
Blasenfüllungszustand
Tiefe Venenthrombose mittels 2-Punkte-Kompressionssonografie in der Inguina und Poplitea
sonografisch gesteuerte Punktionen (Aszites, Pleuraerguss, peripher ­venöser Zugang)
Mit der neuen Revision des Weiterbildungsprogramms Allgemeine Innere Medizin (AIM), die am 1.1.2022 in Kraft tritt, wird der Nachweis der erfüllten Bedingungen für den Fähigkeitsausweis POCUS BNFS obligatorisch für den Erwerb des Facharzttitels AIM sein. Es gilt eine Übergangsfrist von fünf Jahren. Hiermit wird unterstrichen, dass der Ultraschall in die Hände der Internistin und des Internisten am Patientenbett gehört.

POCUS – Weiterbildung am Universitätsspital Basel

In der Klinik für Innere Medizin am Universitätsspital Basel wird seit 2016 an der Integration des bettseitigen Ultraschalls in die tägliche stationäre Behandlung und die Ausbildung der Assistenzärztinnen und -ärzte ­gearbeitet. Damit POCUS funktioniert und sich im ­Spitalalltag etabliert, braucht es ein klares, ins stationäre Setting eingebettetes Konzept mit strukturierten Prozessen und eindeutigen Verantwortlichkeiten.

Das bisher aufgebaute Konzept der Klinik für Innere Medizin des Universitätsspitals Basel für die stationäre Sonografie umfasst folgende Elemente:

  • Die neuen Assistenzärztinnen und -ärzte werden zu Beginn über das Ultraschall-Konzept und den Prozess der Anmeldung, der Untersuchung und der ­Befundschreibung mit ersten Instruktionen am ­Gerät informiert.
  • Es stehen mobile, einfach zu bedienende Geräte auf jeder Station bereit; ein Gerät für ca. 70 stationäre Patientinnen und Patienten bzw. für sieben Assistenzärztinnen und-ärzte.
  • Die Supervision findet direkt am Patientenbett statt. Jeden Tag steht ein Oberarzt oder eine Oberärztin mit dem Fähigkeitsauswies POCUS BNFS als Sonosupervisor zur Verfügung (8:00–18:00 Uhr). Jede Untersuchung wird in Bild und Befund dokumentiert. Zentral ist die direkte, drahtlose Übertragung ins Klinikinformationssystem. Die Bilder ­werden direkt befundet und zur finalen Visierung Visierung an den Supervisor geschickt.
  • Punktionen sind Teil der sonografischen Ausbildung mit supervidierter Durchführung und Bilddokumentation.
  • Neben der Beantwortung täglicher Fragestellungen in der stationären Patientenbehandlung wird bewusst auch auf das Prinzip des «Teaching-Sonos» gesetzt. Interessante Befunde aus anderen Bildgebungen (z.B. Abdomen-CT) werden gezielt nachgeschallt. Dies natürlich nur, wenn die Patientin oder der Patient nach Aufklärung mit der zusätzlichen Untersuchung einverstanden ist.
  • Auch Untersuchungen, die nicht direkt supervidiert werden können (z.B. in Spät- oder Nachtdiensten) werden ebenfalls oberärztlich gesichtet und es erfolgt ein Feedback.
  • Die Supervision wird soweit möglich während den Rotationen auf der Notfall- und Intensivstation in enger Zusammenarbeit mit lokalen Supervisoren aufrechterhalten.
  • Ergeben sich aus der POCUS-Untersuchung komplexere Fragestellungen, werden diese im Sonografielabor in Zusammenarbeit mit der medizinischen Poliklinik beantwortet. Zudem besteht hier die Möglichkeit zur 4-wöchigen Rotation.
  • Den Assistenzärztinnen und -ärzten wird die Teilnahme an hausinternen Sonografiekursen (medAcademy.ch, Grundkurse Abdomensonografie, POCUS BNFS-Kurse) ermöglicht und 50% der Kosten ­werden durch die Klinik übernommen.
  • Das sonografische Weiterbildungsangebot wird seit 2021 durch vierteljährliche kurze Lehrfilme mit ­einem sonografischen Schwerpunkt ergänzt und den Assistentinnen und Assistenten der Klinik für Innere Medizin steht das umfangreiche E-Learning der Young-Sonographers «Basis-Wissen» Abdomensonografie zur Verfügung (Erwerb einer institutionellen Lizenz).

Die bisherige Entwicklung von 2016–2021

Seit 2016 wurden mit den aufgebauten Abläufen die Zahl der stationären Ultraschall-Untersuchungen stetig gesteigert (Abb. 1). Jedoch liegen die durchgeführten Untersuchungen bei ca. 90 Assistentinnen und ­Assistenten, denen jeweils 100 supervidierte Unter­suchungen in der Ausbildung über drei Jahre in der ­Klinik für Innere Medizin am Unispital ermöglicht werden sollten, weit unter dem tatsächlichen Bedarf. Insbesondere, wenn der POCUS BNFS zum festen ­Bestandteil des Facharztes für AIM wird. Der straffe Zeitplan im stationären Alltag stellt eine Herausforderung dar und erfordert daher umso mehr eine effiziente Gestaltung der Arbeitsabläufe.
Abbildung 1:
Dargestellt ist die Anzahl durchgeführter POCUS-Sonografien pro Jahr (schwarze Balken, Auswertungszeitpunkt 14.12.21). Weiterhin wird die Anzahl der Supervisorinenn und Supervisoren aufgeführt. Bis zur Einführung des POCUS 2018 waren Supervisoren Inhaber des Fähigkeitsausweises Abdomensonografie, ab 2018 wurden auch Inhaber des POCUS BNFS als Supervisoren eingesetzt. Bei der Angabe der Supervisoren in Stellenprozent (Zeile Stellen%) wurde sowohl die Teilzeitanstellung wie auch die Abwesenheit von den internistischen Bettenstationen z.B. durch Rotationen auf den Notfall, Intermediate Care, Intensivstation berücksichtigt. Die Angaben sind auf die erste Nachkommastelle gerundet. Bis 2019 wurde das Supervisoren-Team durch einzelne Kolleginnen und Kollegen der Poliklinik verstärkt, dies findet hier keine Berücksichtigung, da vor allem die auf der Station präsenten Supervisoren mit der Zahl der durchgeführten Untersuchungen korrelierten.

Folgende Verbesserungen sind in der Zukunft wünschenswert bzw. wahrscheinlich ­unabdingbar:

  • Die Supervision sollte direkt von den Stationsoberärztinnen und -ärzten geleistet werden. Wir beobachten eine Korrelation zwischen der Anzahl der durchgeführten Untersuchungen und verfügbaren Supervisorinnen und Supervisoren (Abb. 1). Idealerweise verfügt zukünftig jede Oberärztin und jeder Oberarzt der Klinik für Innere Medizin über den ­Supervisorenstatus POCUS BNFS.
  • Das Weiterbildungskonzept mit kurzen unterhaltsamen internen Online-Weiterbildungen zu eng umrissenen POCUS-Themen soll weiter ausgebaut werden.
  • Die direkte Supervision am Patientenbett steht im Vordergrund und bleibt der Goldstandard. Jedoch sollte auch der Ausbau von Skills-Labs und digitalen Simulationsangeboten ausgebaut werden.
  • Weitere Verbesserung des Prozesses der Befundbeschreibung sowie Erhebung der Statistik.
  • Verbesserung des Zugangs zu jederzeit verfügbaren Sonografiegeräten auf allen Stationen. Unserer Erfahrung nach ist ein Gerät pro durchschnittlich 70 Patientinnen und Patienten bzw. sieben Assistentinnen und Assistenten zu wenig, da es oft zu Überschneidungen von Untersuchungen kommt. Wünschenswert wäre eine Kombination mit portablen Geräten in der Kitteltasche. Die technischen Lösungen sind vorhanden, jedoch sind zurzeit nicht alle datenschutzrechtlichen Fragen geklärt.
  • Nachweis der Evidenz für die bettseitige Sonografie. Hohe Fallzahlen und ein breites Patientenspektrum ermöglichen die Durchführung von Studien zum Evidenznachweis der bettseitigen Sonografie. Eine Studie in der Inneren Medizin des Universitätsspitals Basel ist für das Jahr 2022 geplant.Zusammenfassend kann die schnell verfügbare Ultra­schalluntersuchung die klinische Beurteilung am Patientenbett hervorragend ergänzen. Zudem wird der Stellenwert der Sonografie durch die Aufnahme des POCUS BNFS als Bedingung für die Erlangung des Facharztes Innere Medizin gestärkt. Die Umsetzung einer adäquaten Weiterbildung im stationären Rahmen ist wie am Beispiel oben gezeigt sehr gut möglich und bei effizienter Organisation in die bereits bestehenden Abläufe des Stationsalltages integrierbar. Unabdingbar sind mobile Sonografiegeräte, ein direkter Anschluss dieser an das spitalinterne Klinikinformations­system und die Gewährleistung einer flexiblen Supervision.Der Vorstand der Swiss Young Internists begrüsst die Absicht der SGAIM-Delegierten, dass der Fachausweis POCUS BNFS ab Januar 2022 ein Teil des Facharztes AIM wird. Dies führt zu einer Schärfung des Profils «Internistin/Internist», zu einer Verbesserung der klinischen Ausbildung des Nachwuchses und schlussendlich zu ­einer ganzheitlicheren Patientenversorgung.

Zusammenfassung

  • Durch den technischen Fortschritt werden Ultraschallgeräte immer kompakter und von der Bildqualität her besser. Ein vermehrter Einsatz direkt am Patientenbett ist möglich.Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, hat die Schweizerische ­Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (SGUM) per 1. Januar 2018 den Fähigkeitsausweis POCUS ergänzend zu den bereits bestehenden Fähigkeitsausweisen Sonografie eingeführt.Mit der neuen Revision des Weiterbildungsprogramms Allgemeine Innere Medizin (AIM), die am 1.1.2022 in Kraft tritt, wird der Nachweis der erfüllten Bedingungen für den Fähigkeitsausweis POCUS BNFS obligatorisch für den Erwerb des Facharzttitels AIM.
  • Um diese Revision umzusetzen ist eine strukturierte Weiterbildung im stationären Rahmen nötig. Bei der Umsetzung von entsprechenden ­Konzepten stehen die Verfügbarkeit von mobilen Geräten auf jeder internistischen Station, eine Anbindung dieser ans hausinterne Klinikinformationssystem und eine strukturierte Supervision im Zentrum.
Dr. med. Armon Arpagaus
Vorstandsmitglied Swiss Young Internists
c/o SGAIM
Monbijoustrasse 43
Postfach
CH-3001 Bern
armon.arpagaus[at]swissyounginternists.ch