Die Wichtigkeit der Palliative Care

Das Neueste von der Palliativmedizin

Themenschwerpunkt
Ausgabe
2021/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2021.10450
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2021;21(10):332-333

Affiliations
Präsidentin der palliative ch und Ständerätin

Publiziert am 06.10.2021

Lebensende und Sterbebegleitung sind Themen, über die in der Gesellschaft öffentlich mehr und mehr diskutiert wird. Auch die Schweizer Politik, die auf die Bedürfnisse und Veränderungen der Gesellschaft eingehen muss, befasst sich mit diesem Thema.

Diskussionen über das Lebensende und die Sterbebegleitung

Lebensende und Sterbebegleitung sind Themen, über die in der Gesellschaft öffentlich mehr und mehr diskutiert wird; sie sind keine Tabus mehr, die nur in unvermeidlichen Situationen im Familienkreis und mit den Ärztinnen und Ärzten zur Sprache kommen. Diese Entwicklung gibt es seit Jahren, aber die Corona-Pandemie hat die gesamte Gesellschaft plötzlich mit Fragen zu Gesundheit, Krankheit, Pflege und Lebensende konfrontiert, die von noch nie da gewesener Dringlichkeit und Wucht sind. Es handelt sich um wichtige Fragen, die wir als Gesellschaft angehen müssen und nicht an einen kleinen Kreis von Fachleuten delegieren sollten.

Palliative Care in der Schweizer Politik

Auch die Schweizer Politik, die auf die Bedürfnisse und Veränderungen der Gesellschaft eingehen muss, befasst sich mit diesem Thema. Ich beziehe mich auf den Bericht des Bundesrates, der Stellung nimmt zum Postulat «Bessere Betreuung und Behandlung von Menschen am Lebensende» und zur Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates «Für eine angemessene Finanzierung der Palliative Care», die von den Kammern letzten Juni ­angenommen wurde. Der Bericht des Bundesrates unterstreicht unter anderem die grossen Unterschiede beim Zugang zur Palliative Care in der Schweiz und die Notwendigkeit, das Angebot an Palliativversorgung für Menschen mit chronischen Krankheiten und nicht nur für Krebspatienten zu erhöhen. Personen, die nicht an Krebs erkrankt sind, haben derzeit keinen ausreichenden Zugang zur Palliativversorgung. 2018 erhielten nur 12% der im Spital verstorbenen Menschen eine komplexe Palliativbehandlung oder eine spezialisierte Palliativversorgung. Bund und Kantone schätzen, dass in Zukunft bei zwei Dritteln der Sterbefälle eine Palliativversorgung notwendig sein wird. Die Schlussfolgerungen des Berichts und die in der Motion erhobenen Forderungen müssen jetzt umgesetzt werden und es ist unsere Aufgabe, darauf zu achten, dass sie konkrete Gestalt annehmen.

palliative ch als wichtiger Player

Als Ständerätin und seit Juni 2020 als Präsidentin von palliative ch, fördere ich die Palliative Care auf verschiedenen Ebenen aktiv. Auf politischer Ebene und als Präsidentin von palliative ch setze ich mich für die Anerkennung der Palliativversorgung im Rahmen der Krankenversicherung ein, um eine nachhaltige ­Finanzierung zu gewährleisten und die ambulante Pflege zu intensivieren, mit besonderem Fokus auf die palliativmedizinische Grundversorgung, die gestärkt und durch eine spezialisierte Behandlung ­ergänzt ­werden muss. Es steht ausser Frage, dass die Palliative Care eine zentrale Rolle bei der Behandlung und Begleitung von Menschen am Lebensende spielt: Linderung schwerer Symptome, Hilfe bei der Entscheidungsfindung, ­vorausschauende Behandlungsplanung, psychosoziale ­sowie seelische Unterstützung der Patient:innen und ihrer Familie. Es handelt sich zwangsläufig um eine ­interdisziplinäre Begleitung, ­bestehend aus Fachkräften verschiedener Berufsgruppen und aus den Angehörigen der Patient:innen. Palliativversorgung muss für alle, die sie benötigen, zugänglich und erschwinglich sein, unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten und ihrem Wohnort. Die ­zentrale Rolle der Hausärztinnen und -ärzte in der ­palliativen Grundversorgung bezüglich Betreuung der Patient:innen und Koordinierung der Pflege darf nicht ausser Acht gelassen werden. Leider wird diese wichtige Funktion derzeit nicht genügend gewürdigt und muss bei der Umsetzung der Motion zur Finanzierung der Palliativversorgung berücksichtigt werden.
palliative ch, deren Ziel es ist, die Verbreitung der Palliativversorgung in der Schweiz zu unterstützen, den Zugang zu Palliative Care für die betroffenen Personen und ihre Nächsten zu verbessern und die Qualität der Palliativmedizin und -pflege zu fördern und zu gewährleisten, erfüllt zusammen mit Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Seelsorgenden eine wichtige Aufgabe, um Menschen ein würdevolles Lebensende zu ermöglichen. palliative ch setzt sich nicht nur für Bildung und Information ein. Sie beteiligt sich ebenfalls an gesundheitspolitischen Diskussionen. Das Thema ist von grosser Bedeutung und betrifft jede:n oder wird jede:n von uns im Laufe des Lebens betreffen. Deshalb halte ich es für so wichtig, mit allen direkt an der Palliative Care Beteiligten und mit den betroffenen ­Familienmitgliedern zusammenzuarbeiten, so dass die Patient:innen die beste Palliativ­versorgung bekommen, wenn sie diese brauchen. Als ­Präsidentin von palliative ch, aber auch in meiner politischen Funktion, bin ich stets offen für Diskussionen und Meinungsaustausch, deren Ziel es ist, die Versorgung zu verbessern.
Der Nationale Palliative Care Kongress findet vom 24. bis 25. November 2021 in Biel statt. Weitere Informationen finden Sie unter: https://de.palliative-kongresse.ch/2021/
Marina Carobbio
Präsidentin der palliative ch
und Ständerätin
info[at]palliative.ch