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Publiziert am 01.12.2020
Trotz breiter Verfügbarkeit von Impfstoffen zum Schutz vor Masern traten 2018-2019 in mehreren Weltregionen, vor allem in Afrika und Asien, Epidemien auf. Zwischen Januar 2018 und Juni 2019 gab es in der Europäischen Region der WHO rund 170 000 Masernfälle und mehr als 100 masernbedingte Todesfälle, darunter zwei in der Schweiz.
Tabelle 1: In der Literatur beschriebene Faktoren, die mit vermehrter Impfskepsis einhergehen. |
Faktoren, die mit vermehrter Impfskepsis einhergehen |
Land mit höherem Einkommen [6] |
Höheres Bildungsniveau [6] |
Falschinformationen – fake news [7, 8] |
Menschlicher «Drang nach Skandal-Nachrichten» [8] |
Misstrauen gegenüber Wissenschaft und Gesundheitsfachleuten [6–8] |
Tabelle 2: In der wissenschaftlichen Literatur beschriebene Aspekte der Kommunikation, die das Vertrauen in Impfungen und/oder die Impfbereitschaft beeinflussen. | |
Erhöht das Vertrauen/die Impfbereitschaft | Ändert das Vertrauen/die Impfbereitschaft nicht, bzw. verringert diese sogar |
Bereitstellung von Informationen über Impfnebenwirkungen [27, 28]. | Dramatische Fakten und Bilder evozieren [13] |
Sich die nötige Zeit nehmen, um über Impfstoffe zu sprechen [18] | |
Ängste legitimieren [18] | |
Einsatz von Techniken der motivierenden Gesprächsführung [21]. |
Tabelle 3: Vorgeschlagener Ansatz (und zu vermeidende Fallstricke) beim Umgang mit impfskeptischen Patientinnen und Patienten. | |
Vorgeschlagene Ansätze bei impfskeptischen Patientinnen und Patienten | |
Vorgehen | Beispiele |
Sich für die Beratung Zeit nehmen, um die oft als schwierig empfundene Situation entspannt und nicht-wertend in einem Klima des Vertrauens anzugehen. | «Impfungen sind ein wichtiges Thema, wären Sie bereit, sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen, um darüber zu sprechen?» |
Es ist häufig ungünstig, wenn man über «die Impfungen» im Plural spricht. Hingegen bewährt es sich, einzelne Impfungen individuell zu besprechen, je nach Priorität. Sie sind schliesslich so unterschiedlich voneinander wie Medikamente. | «Es gibt viele Impfstoffe. Welcher ist derjenige, den Sie am meisten hinterfragen oder der für Sie am wichtigsten wäre?» |
Befürchtungen, Ängste und Erfahrungen ergründen – und legitimieren. | «Welche Befürchtungen haben Sie bezüglich dieses Impfstoffs? …wenn man diese Information hier liest, ist es eigentlich nur verständlich, dabei Angst zu entwickeln.» |
Wertschätzung des Engagements der Patienten/Eltern für ihre Gesundheit. | «Ihre Gesundheit/die Gesundheit Ihres Kindes ist Ihnen ganz wichtig.» «Sie haben sich die Zeit genommen, herauszufinden, was das Beste ist, und mit mir darüber zu diskutieren.» |
Herausbilden von Diskrepanzen: einen Diskurs des Wandels (change talk) herbeirufen und somit Aufbau von Veränderungsbereitschaft. | «Auf einer Skala von 0 bis 10, wie sicher sind Sie, dass dieser Impfstoff gefährlich ist?» – Weshalb X und nicht 9 (eine höhere Zahl)? – Was würde diese Zahl weiter senken?» |
Bereitstellung von Informationen in angemessener Weise durch: – Explorieren des Wissens der Patientin/des Patienten – um Erlaubnis bitten – Bereitstellung gezielter Informationen auf Wunsch der Patientin/des Patienten – Explorieren des bisherigen Verständnisses und wie dadurch die Situation (neu) eingeschätzt wird Sie können je nach Bedarf ein Informationspaket zur Verfügung stellen. Stellen Sie sich für weitere Diskussionen zur Verfügung. | «Sie fürchten sich vor den Nebenwirkungen dieser Impfung. Was wissen Sie daüber?» «Wären Sie einverstanden, wenn ich Ihnen zu diesem Thema einige Informationen gebe?» «Was denken Sie über diese Informationen? Wie verändern sich dadurch Ihre Ansichten?» |
Unerwünschte Impferscheinungen antizipieren und benennen (je nach bestehenden Ängsten und Impfstoff) – Schmerz bei Injektion – Fieber* | «Sie werden kurz einen Schmerz am Einstichort haben, aber wir schauen, dass wir eine möglichst schmerzarme Technik verwenden.» «Fieber nach einer Impfung ist etwas Häufiges, ich gebe Ihnen hier Informationen, was Sie in diesem Fall tun können.» |
Geben Sie Ihrer Patientin/Ihrem Patienten Zeit zum Nachdenken, Veränderungen kommen oft nicht sofort. | «Ich schlage vor, Ihnen einen Moment Zeit zu geben, um über all das nachzudenken, was wir gerade besprochen haben, und uns in zwei Wochen erneut zu treffen, um eine Bilanz der Situation zu ziehen. Was halten Sie davon?» |
Zu vermeidende Fallstricke | |
– Bei Eltern Schuldgefühle hervorzurufen – Die Informationen, Erfahrungen und Ängste, welche die Patientinnen oder Patienten (erhalten) haben, abzulehnen – Die Patientin/den Patienten zu unterbrechen – Die Diskussion zwischen «Pro» und «Kontra» zu polarisieren | «Sind Sie sich dem Risiko, dem Sie Ihr Kind aussetzen, bewusst?» «Es ist absurd, dieser Geschichte Glauben zu schenken, wenn zahlreiche wissenschaftliche Studien die Sicherheit von Impfstoffen bewiesen haben.» «Ich kann dem was Sie da sagen nicht zustimmen, jedes Jahr retten Impfungen weltweit 2 Millionen Leben.» |
* Informationen auf Englisch für die Beratung von Eltern: https://www.cdc.gov/vaccines/parents/visit/index.html |
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