Moderne Therapieverfahren der Varikose
Verschiedene Optionen für eine optimale individuelle Behandlung

Moderne Therapieverfahren der Varikose

Fortbildung
Ausgabe
2020/04
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2020.10164
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2020;20(04):135-138

Affiliations
Medizin im Schauspielhaus MediS, Zürich

Publiziert am 31.03.2020

Die Varikose ist ein häufiges Krankheitsbild in der hausärztlichen Praxis mit einer Prävalenz von über 20% in der erwachsenen Bevölkerung.

Einführung

Die primäre Varikosis als Hauptursache der chronischen venösen Insuffizienz (CVI) der Beinvenen ist eine häufige Erkrankung mit einer Prävalenz von 20–30% in der erwachsenen Bevölkerung [1]. Als wesentliche Risikofaktoren gelten zunehmendes Alter, weibliches Geschlecht, eine positive Familienanamnese und Schwangerschaften. Pathophysiologisch besteht eine Veränderung der Venenwand durch die Aktivierung von Metalloproteinasen, die möglicherweise durch ­einen erhöhten venösen Füllungsdruck zustande kommt. Dieser entsteht durch typische Realisationsfaktoren wie Adipositas, langes Stehen oder Sitzen und Bewegungsmangel. Als Folge kommt es zu strukturellen Veränderungen der Venenklappen, die durch deren Insuffizienz zu einer ambulatorischen venösen Hypertension führen können, mit den bekannten Komplikationen wie Hyperpigmentierungen, erhöhter Empfindlichkeit der Haut für Infektionen, Dermatoliposklerose, Varizenblutungen, oberflächlichen Venenthrombosen sowie einem Ulcus cruris venosum. Daher erscheint eine phlebologische Abklärung inklusive der sorgfäl­tigen Duplexsonographie des oberflächlichen Stamm-sowie des tiefen Leitvenensystems bei sichtbarer Varikose, Zeichen der chronisch venösen Insuffizienz, unklaren Schwellungen der Beine, unspezifischen Beinbeschwerden, Verdacht auf eine Varikophlebitis sowie ausgeprägter Besenreiservarikose indiziert. Dabei ist zu beachten, dass venöse Stauungsbeschwerden wie Müdigkeits- oder Schweregefühl der Beine als auch eine Schwellungsneigung nicht bei jedem Patienten mit einer behandlungsbedürftigen Varikose vorliegen. Das Ziel der Behandlung liegt in der Vermeidung von Komplikationen wie Varikophlebitis, Blutung und der Entwicklung einer chronisch venösen Insuffizienz (Abb. 1).
Abbildung 1: 75-jährige Patientin mit einer Varikose beidseits unter Entwicklung einer chronisch venösen Insuffizienz. ­Stadium II nach Widmer. Pathophysiologisch liegt rechts eine Magnakrossen- und Magnastamminsuffizienz Hach IV mit konjugierter Seitenastvarikose am Unterschenkel sowie ­zusätzlich eine insuffiziente mediale Oberschenkelperforans (Dodd) vor, welche die venöse Hypertension durch den ­additiven Reflux für den Unterschenkel noch verstärkt. CEAP Klassifikation: C 1-4 EpAs,pPr 2,3,5,17

Einteilung und Behandlung

Die chronischen Venenerkrankungen werden heute meist nach der CEAP-Einteilung klassifiziert, die Refluxstrecke der Stammvenen wird nach Hach angegeben [2]. Die Behandlung der Varikosis lässt sich in konservative (z.B. Kompressionstherapie, medikamentös mittels Venotonika, Lymphdrainage bei zusätzlichem Vorliegen eines Lymphödems) und invasive Massnahmen unterteilen.
Die invasiven Massnahmen beinhalten die klassische Krossektomie der Vena saphena magna oder parva mit dem Stripping der jeweils betroffenen Venensegmente. Zudem werden seit 1998 zunehmend minimal-invasive Behandlungsstrategien angewandt, wobei man zwischen den «thermischen» und den «nicht-termischen» Verfahren unterscheidet. Zu den thermischen Verfahren wird die seit 1998 zugelassene Radiofrequenzablation oder -obliteration (RFO) der refluxiven Stammvenen (VNUS Closure®, Closure Fast®, Venefit®, RFITT®), die seit 1999 zugelassene endovenöse Lasertherapie (EVLT) sowie die seit 2009 zugelassene Heissdampfobliteration gezählt.
Die nicht-thermischen Verfahren beinhalten die schon seit längerem bekannte Flüssig- oder Schaumsklerotherapie, aber auch neue Ansätze wie die 2011 eingeführte «Mechano-chemische Obliteration» (Clarivein®) sowie die seit 2012 bekannte Klebertherapie mittels Cyanoacrylatkleber (VenaSeal®). Während die offene chirurgische Operation in der Regel in Allgemein- oder Spinalanästhesie in einem Operationssaal durchgeführt wird, können die minimal-invasiven thermischen Verfahren in einem Behandlungsraum in Tumeszenz-Lokalanästhesie (Regionalanästhesie) durchgeführt werden. Die nicht-thermischen Verfahren benötigen keine (Sklerotherapie) oder nur eine minimale Lokalanästhesie. Das praktische Vorgehen ist bei allen minimal-invasiven Verfahren ähnlich bzw. gleich: Nach dem Einzeichnen der Stammvene und ­deren Seitenäste im Stehen erfolgt nach Desinfektion und sterilem Abdecken die ultraschallkontrollierte Punktion der Stammvene unterhalb des unteren Insuffizienzpunktes (Abb. 2).
Abbildung 2: a) Ultraschallgesteuerte Punktion der Vena saphena magna am linken Unterschenkel; b) Lage der Punktionskanüle im Längsschnitt; c) Lage der Punktionskanüle im Querschnitt.
Der jeweilige Katheter wird entweder direkt oder über eine Einführungsschleuse in die Vene eingebracht. Bei den thermischen Verfahren ist die Tumeszenz-Lokal­anästhesie perivenös notwendig, um eine sichere Anal­gesie zu gewährleisten, das umliegende Gewebe zu schonen und den Venendurchmesser zu verkleinern. Daraufhin erfolgt die Energieabgabe kontinuierlich unter Rückzug des Katheters oder segmental.
Sowohl die Radiofrequenzobliteration als auch die endovenöse Lasertherapie sind seit 2016 als Pflichtleistung der Krankenkassen in der Schweiz anerkannt und werden wie die einseitige offene Operation ambulant durchgeführt.
Die Verfahren werden im Folgenden kurz dargestellt.

Endovenöse Radiofrequenzobliteration

Die endovenöse Radiofrequenzobliteration (RFO) wurde als erstes endovenöses Verfahren seit 1998 zur Therapie der Stammveneninsuffizienz zugelassen. Es existieren umfangreiche Studien, unter anderem randomisiert kontrollierte Studien (RCT) und mehrere Metaanalysen mit Beobachtungszeiten von über fünf Jahren mit 6-Monats-, 3- resp. 5-Jahres-Verschlussraten von 99,6%, 92,6% resp. 91,7% [3]. Die venöse Beschwerdesymptomatik wird verringert, die Lebensqualität verbessert. Die primären Erfolgsraten sind sowohl bei der Radiofrequenz- und der Lasertherapie wie auch der Operation bestehend aus Magnakrossektomie und Stripping gleich. Erstere führen aber zu geringeren postoperativen Schmerzen, Wundinfektionen, Hämatomen und Parästhesien im Vergleich zur Operation [4] und wurden daher in die Therapieleitlinien der Stammvarikose in den USA, England und Europa als Therapie der ersten Wahl aufgenommen [5].

Endovenöse Lasertherapie

Die endovenöse Lasertherapie (EVLT) wurde als zweites endovenöses Verfahren seit 1999 zur Therapie der Stammveneninsuffizienz zugelassen. Gleiche Wirksamkeit bezüglich der Verschlussraten wie die Radiofrequenzobliteration, aber mit den Laserfasern der ersten Generation (810–980 nm Wellenlänge) waren etwas mehr perioperative Schmerzen und Hämatome zu verzeichnen. 2008 wurde eine längere Wellenlänge (1470 nm) und eine geänderte Abstrahlgeometrie (Ring oder Doppelring) eingeführt. Es existieren verschiedene Faserstärken (bis 1,3 mm dünn, keine Einführungsschleuse notwendig) (Abb. 3).
Abbildung 3: Thermische Obliteration von Stammvenen durch einen Radiofrequenz­katheter (oben) mit 7 cm langem Segment der Energieabgabe sowie durch Laserfasern (Mitte und unten, unten die «SLIM» Faser mit einem Durchmesser von 1, 3 mm) mit ­lokalisierter Energieabgabe an der Spitze als Ring oder Doppelring.
Die Behandlung auch von kurzen Venensegmenten wie insuffizienten Perforansvenen oder der Vena saphena accessoria anterior ist möglich.

Mechano-chemische Obliteration

Bei der mechano-chemischen Obliteration (MOCA) r­otiert ein abgerundeter Draht in einem endovenösen Katheter mit 3500 U/min und schädigt die Tunica intima und Tunica media der Venen. Das Verfahren kombiniert eine mechanische Schädigung mit einer gleichzeitig durchgeführten Flüssigsklerosierung. Verschlussraten von 96,7% nach sechs Monaten, 88,2% nach einem Jahr. Es zeigen sich geringere perioperative Schmerzen als mit der Radiofrequenzobliteration bei minimalem ­Arbeitsausfall [6].
Es benötigt keine Tumeszenzanästhesie (im Unterschied zu den thermischen Verfahren), es ist keine ­Nervenschädigung möglich. Derzeit ist die MOCA keine Pflichtleistung der Krankenkassen (Abb. 4).
Abbildung 4: 41-jährige Patientin eine Woche nach mechano-chemischer Obliteration der Vena saphena magna links an Ober- und Unterschenkel. Punktionsort supramalleolär. ­Minimales genikuläres Hämatom. Kein Sensibilitätsdefizit des Nervus saphenus.

Cyanoacrylatkleber

Das Verfahren mittels Cyanoacrylatkleber ist seit 2012 als «nicht-thermisches, nicht-Tumeszenz»(NTNT)-­Verfahren zugelassen.
Grundlage ist ein nicht-resorbierbares N-Butyl-Cyanoacrylat mit biokompatiblen Zusätzen zur Behandlung der Stammvenen. Die Applikation erfolgt über eine Schleuse, einen Führungs- und Klebekatheter.
Die 3-Monats-Verschlussraten sind 99%, 2-Jahres-Verschlussraten 92%–95,3% [7].
Es zeigen sich geringere Schmerzen als nach Lasertherapie, es sind keine Nervenläsionen möglich. Oft ist auch keine Kompression notwendig. Oberflächlich behandelte Venen sind jedoch als Strang tastbar. Derzeit keine Pflichtleistung der Krankenkassen.

(Schaum)-Sklerotherapie

Das Verfahren der Sklerotherapie wird in flüssiger Form (z.B. Äthoxysklerol 0,5%) zur Behandlung von Besenreisern angewandt. Als Schaum (0,5%–3%) ist es gut geeignet zur Behandlung einer Seitenast- oder Rezidivvarikose, bei älteren Patienten und bei Spezialindikationen wie zum Beispiel dem Ulcus cruris venosum (C6 nach CEAP). In den europäischen Leitlinien ist die Sklerotherapie aufgenommen als Klasse-1A-Empfehlung bei ­Patientinnen und Patienten, die für die endoluminale Thermoablation oder Chirurgie nicht in Frage kommen [5]. Die Sklerotherapie bewirkt eine chemisch induzierte Entzündung mit Verschluss der Vene. Daher nach zwei Tagen bis zwei Wochen leicht schmerzhaft, Hyperpigmentierung in 10–30%.
Die Sklerotherapie ist weniger effektiv mit 54,6% technischer Erfolgsrate nach sechs Wochen, verglichen mit der Lasertherapie oder der Chirurgie, ist aber kostengünstig, wiederholt einsetzbar, auch unter oraler Antikoagulation, bei polymorbiden Patienten und bei Blutung aus «Varizenperlen» [8].

Chirurgie

Neben der Kompression ist die Chirurgie das älteste (Trendelenburg 1891, Babcock 1907) etablierte und ­effektive Therapieverfahren der Varikose mit Verbesserung der venösen Beschwerdesymptomatik, Lebensqualität und Verringerung der Rate der Rezidiv-Ulcera. Die Magnakrossektomie und das Magnastripping ist als «Gold Standard« der Therapie der Stammvarikose seit 2011 in den USA und seit 2015 auch in Europa zugunsten der endoluminalen Thermoablation in den Leitlinien abgelöst worden [5]. Die Rate an postoperativen Wundinfektionen (1,9% vs. 0,3%), Hämatomen (4,8% vs. 1,3%) und Parästhesien (11,2% vs. 6,7%) ist höher im Vergleich zur endovenösen Lasertherapie [4]. Die Rate an Rezidiven scheint bei den thermischen endoluminalen Verfahren wie Radiofrequenz und Laser derer bei offener Chirurgie gleich zu sein (36% vs. 33% nach fünf Jahren), wobei es bei den endoluminalen Therapien eher zu Rekanalisationen der obliterierten Stammvenen kommt, bei der Chirurgie zu Neovaskularisationen im Bereich des Magnastumpfes [9].
Indikationen zum chirurgischen Vorgehen können grosse Krossenrezidive (Krossenrevision mit präfemoraler Rezidivstumpfligatur und Verödung des Endothelüberstandes), sehr oberflächliche Stammvenen (Krossektomie und Stripping), ausgeprägte Seitenastvarikose (Seitenastphlebektomie) sowie der Patientenwunsch sein.

Fazit

Bei der Vielzahl der heute bestehenden therapeutischen Optionen ist es essentiell, dass präinterventionell eine exakte Ursachenanalyse mit sorgfältiger ­Ultraschallabklärung durchgeführt wird. Nur die ­korrekte Diagnose mit dem Verständnis der Reflux­strecken und der Rezirkulationskreisläufe erlaubt ein bestmögliches Resultat. Zudem sollte der jeweilige ­Behandelnde idealerweise alle Therapieoptionen beherrschen oder wenigstens weitgehende Kenntnisse haben, um dem Patienten unvoreingenommen die ­optimale, individuelle Therapie anbieten zu können.
PD Dr. Dr. med. ­Christian Schmidt
Facharzt für Chirurgie FMH und Gefässchirurgie FMH und FEBVS
FA Phlebologie SGP, Endovenöse thermische Ablation von Stammvenen USGG
Medizin im Schauspielhaus MediS
Rämistrasse 34
CH-8001 Zürich
ch.schmidt[at]hin.ch
1 Rabe E, et al. Bonner Venenstudie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. Phlebologie. 2003;32:1–14.
2 Rabe E, Pannier F. Clinical, aethiological, anatomical and pathological classification (CEAP): gold standard and limits. Phlebology. 2012;27:Suppl 1.
3 Proebstle TM, et al. Five-year results from the prospective European multicenter cohort study on radiofrequency segmental thermal ablation…; Br J Surg. 2015;102(3):212–8.
4 Pan Y, et al. Comparison of endovenous laser ablation and high ligation and stripping… a meta-analysis; Phlebology 2014;29(2):109–19.
5 Wittens C, et al. Editors Choice: Management of Chronic Venous Disease: Clinical Practice Guidelines of the European Society for Vascular Surgery (ESVS); Eur J Vasc Endovasc Surg. 2015;49(6):678–737.
6 Lane T, et al. A multi-centre randomized controlled trial comparing radiofrequency and mechanical occlusion chemically assisted ablation…Phlebology. 2017;32(2):89–98.
7 Gibson K, et al. Twenty-four month results…cyanoacrylate closure versus radiofrequency ablation… J Vasc Surg Lymphat Disord. 2018;6(5):606–13.
8 Brittenden J. A randomized trial comparing treatments for varicose veins. N Eng J Med. 2014;371(13):1218–27.
9 Kheirelseid EAH, et al. Systematic review and meta-analysis… J Vasc Surg Venous Lymphat Disord. 2018;6(2):256–70.