Zürich weitet sein erfolgreiches Hausarzt-Curriculum aus
Nur der enge Kontakt kann die Begeisterung für die Hausarztmedizin aufrechterhalten

Zürich weitet sein erfolgreiches Hausarzt-Curriculum aus

Lehren und Forschen
Ausgabe
2017/09
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2017.01462
Prim Hosp Care (de). 2017;17(09):176-177

Affiliations
Institut für Hausarztmedizin Zürich

Publiziert am 10.05.2017

Den medizinischen Nachwuchs an die Hausarztmedizin heranzuführen ist eine der Aufgaben der Institute für Hausarztmedizin. An der Universität Zürich geschieht dies durch verschiedenste Massnahmen. Im Mittelpunkt stehen natürlich Vorlesungen und Praktika zur Hausarztmedizin, die mittlerweile in allen Semestern stattfinden.
Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über das Lehrangebot in der Hausarztmedizin in Zürich. Insgesamt werden über 8500 Stunden Lehre erbracht. Möglich ist das nur durch das Engagement zahlreicher Kolleginnen und Kollegen, die sich bereit erklären, als Tutoren Studierende in die Praxis zu nehmen. Dieses Einzeltutoriat ist neben seinen wichtigen klinischen Erfahrungen für die Studierenden nach wie vor die beste Möglichkeit der Nachwuchswerbung. Die Erfahrungen des Instituts zeigen deutlich, dass vor allem diejenigen Praxen Nachfolger finden, die sich regelmässig bereit erklärt hatten, Studenten auszubilden.
Tabelle 1: Lehrleistung der Institutsmitarbeiter und Hausärzte pro Jahr.
 LecturerStunden p.a.FrühjahrHerbstTotal h
Vorlesung 1. Jahr41 x4
Vorlesungen Themenblock (3./4.Jahr)22 x4
Vorlesungen 6. Jahr12 x2
Klinischer Kurs683 x 4xx1632
Praxisvisiten254xx200
Einführungsvorlesung Einzeltutoriat11xx2
Einzeltutoriat1356 x 4xx6480
Mantelstudium Hausarztmedizin1868xx136
Mantelstudium Versorgungsforschung24  8
Blockkurs 6. Jahr2355 x55
Neben den Vorlesungen und Kursen bieten Masterarbeiten und Dissertationen die Möglichkeit, sich intensiv mit der Hausarztmedizin auseinanderzusetzen. Da die Anforderungen für eine medizinische Dissertation mittlerweile ein Jahr Arbeit an einem Thema voraussetzen, ist dieser Kontakt sehr intensiv. Ein Grossteil der zahlreichen Masterstudenten und Doktoranden –immerhin mehr als 20 pro Jahr – entscheidet sich später auch für die Hausarztmedizin als Spezialität. Theoretisch könnte das Institut noch mehr wissen-
schaftliche Arbeiten betreuen, aber da es immer schwieriger wird, Hausärzte für Forschungsprojekte zu begeistern, mangelt es eben auch an Themen für Master- und Doktorarbeiten.

Nachwuchs gesucht

Wirklich nachhaltig ist, die Begeisterung für die Hausarztmedizin vor allem dann aufrechtzuerhalten, wenn auch nach dem Studium, in der Phase der klinischen Weiterbildung, ein enger Kontakt mit der Hausarztmedizin besteht. In Zeiten, in denen universitäre medizinische Kliniken und Ambulanzen händeringend junge Nachfolger suchen und selbst die attraktivsten Spezialdisziplinen um den Nachwuchs kämpfen, muss gerade die Hausarztmedizin attraktive Weiterbildungscurricula anbieten. Am Institut für Hausarztmedizin gibt es seit mehreren Jahren ein Curriculum, dass nach einer dreijährigen Basisweiterbildung die jeweils halbjährige ­Rotation durch die Kliniken Dermatologie, Rheumatologie und ORL des UniversitätsSpitals Zürich (USZ) sowie eine halbjährige Praxisassistenz umfasst. Dieses Angebot ist so attraktiv, dass die derzeit sieben Stellen auf viele Jahre hinaus ausgebucht sind. Erfreulicherweise und aufgrund der sehr guten Evaluation des Programmes hinsichtlich der Weiterbildungsqualität hat sich der Kanton Zürich bereit erklärt, die Förderung zu verdoppeln, so dass künftig 14 Stellen angeboten werden können.
Neben dem Curriculum, das die Praxisassistenz immer beinhaltet, gibt es nach wie vor ein isoliertes Praxisassistenzprogramm, das kürzlich ebenfalls erfolgreich evaluiert wurde (Abb. 1 [1]). Wie der Abbildung zu entnehmen ist, konnten Praxisassistenten ihre «Managment skills» (z.B. massgeschneiderte Behandlungspläne erstellen) massiv verbessern, mehr noch als ihre Fähigkeiten in anderen klinischen Bereichen oder auch im administrativen Management. Dies zeigt deutlich die unterschiedlichen Herausforderungen zwischen einer medizinischen Klinik und einer Hausarztpraxis; auch wenn sich die medizinischen Kliniken die Multimorbidität immer mehr auf die Fahnen schreiben – sie zu behandeln, das lernt man offenbar in der Hausarztpraxis.
Abbildung 1: Evaluation ausgewählter Fähigkeiten der Praxisassistenz [1]. 
T1: vor der Praxisassistenz; T2: nach der Praxisassistenz
Für das Praxisassistenzprogramm stellt der Kanton Zürich unverändert CHF 1,1 Mio pro Jahr zur Verfügung, die Zuzahlung der Lehrpraktiker wurde ebenfalls von der Gesundheitsdirektion auf CHF 3500.- pro Monat festgelegt, so dass pro Jahr etwa zwölf Stellen finanziert werden können, wobei hier zwei Stellen (also vier Praxisassistenzen pro Jahr) für Pädiater reserviert sind. Obgleich es auch weiterhin das Förderprogramm der Stiftung zur Förderung der Weiterbildung in Hausarztmedizin (WHM) gibt, übersteigt die Nachfrage nach Praxisassistenten durch Hausärzte bei Weitem die Zahl der Assistenten. So «ringen» mathematisch etwa vier Praxen um einen Assistenten. Zum Zuge kommen daher nur Praxen, die sich regelmässig an der studentischen Lehre und Forschungsprojekten beteiligen. Grundsätzlich werden ländliche Praxen hierbei bevorzugt, allerdings kollidiert dies häufig mit den sehr dezidierten Vorstellungen des Nachwuchses hinsichtlich der Erreichbarkeit und der vorhandenen lokalen Infrastruktur um die Praxis. Einzelpraxen sind ebenfalls wenig beliebt. Da immer zwei Praxen vorgeschlagen werden, entscheidet letztlich der Assistent.
Begleitet werden Praxisassistenz und Curriculum von attraktiven Weiterbildungsangeboten zu klinisch relevanten Themen, wie beispielsweise Schwindel, Fahreignung oder Schmerztherapie, die stets interdisziplinär behandelt werden und zu denen Alumni des Programms wie auch Lehrpraktiker eingeladen sind. Die Weiterbildungen werden zum Teil mit den Jungen Hausärztinnen und -ärzten Schweiz JHaS gemeinsam veranstaltet. Die anschliessenden obligatorischen Apéros ermöglichen einen regen Austausch zwischen älteren Kollegen und dem Nachwuchs, und manche Praxisübernahme hat sich hier angebahnt.
Administrativ ist die Organisation des Programmes aufwendig, neben einer Sekretariatsstelle steht eine Oberarztstelle zur Verfügung, beide werden zum Teil aus Institutsmitteln bezahlt.
Insgesamt ist sowohl die Praxisassistenz als vor allem auch das Curriculum in Zürich ein grosses Erfolgsmodell, wie die Nachfrage und die exzellente Evaluation durch die Teilnehmer zeigt. Garant dafür ist eine enge Absprache mit den Kliniken am USZ über die Weiterbildungsinhalte, die Einsatzorte (in der Regel in der jeweiligen Ambulanz) und die sorgfältige Auswahl der Weiterbildungspraxen. Der Gesundheitsdirektion Zürich, allen voran Herrn Dr. Heiniger, gebührt ein herzlicher Dank für die Unterstützung. Die Universität Zürich hat die Zahl der Medizinstudierenden in den letzten drei Jahren sukzessive von 220 um 150 auf 370 erhöht. Die Herausforderung wird sein, möglichst viele davon für die Hausarztmedizin zu begeistern. Dazu braucht es auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir können nur die Rahmenbedingungen schaffen, den wirklichen Kontakt mit der Hausarztmedizin, sei es über Forschungsprojekte, in der Lehre oder Praxisassistenz, können nur Sie herstellen!
Prof. Dr. Dr. Thomas
Rosemann
Direktor Institut für
Hausarztmedizin
UniversitätsSpital Zürich
Pestalozzistrasse 24
CH-8091 Zürich
thomas.rosemann[at]usz.ch
1 Djalali S, et al., First evaluation of the vocational training program in Swiss primary care. Advances in medical education and practice 2016; under review.