Täglich bildet die Leber 700–1300 ml Galle, die für die Fettverdauung und für die Ausscheidung verschiedener schwer wasserlöslichen Substanzen wie dem Bilirubin verantwortlich ist. Die Galle wird in der Gallenblase gespeichert und zu den Mahlzeiten in das Duodenum ausgeschüttet. Die häufigsten Krankheiten und Laborparameter in der Praxis in diesem eng aufeinander abgestimmten System werden im Folgenden besprochen.
Gallenblasenpolypen
Gallenblasenpolypen werden bei Abdomen-Ultraschalluntersuchungen bei 1,5–5% aller Patientinnen und Patienten gefunden. In resezierten Gallenblasen werden sie in 13,8–26% beschrieben. Entscheidend ist beim Nachweis von Gallenblasenpolypen die Grösse. Sobald der Polyp grösser als 1 cm wird, empfehlen die S3-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) eine Cholezystektomie [1]. Studien belegen, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Karzinom zu entwickeln, bei solitären Polypen ≥1 cm um bis zu 50% höher ist [2].
Meist sind Gallenblasenpolypen jedoch benigne, wobei es sich bei 60% um Cholesterinpolypen handelt (bei multiplen Cholesterinpolypen nennt man die Gallenblase in der Pathologie «Erdbeergallenblase»). Gallenblasenpolypen unterscheidet sich vom Gallenstein dadurch, dass sie keinen Schallschatten bilden und bei Umlagerung des Patienten an die Gallenblasenwand gehaftet bleiben.
Die zweithäufigste Form von gutartiger Polypenbildung ist die Adenomyomatose, die überwiegend bei Frauen auftritt und oft mit Gallensteinen assoziiert ist. Ungeklärt ist bislang, inwiefern Adenomyomatosen zu malignen Entwicklungen beitragen. Bei der Frage, ob hier eine Cholezystektomie empfohlen werden soll, ist die Datenlage unklar.
Adenome wiederum sind mit 4% zwar relativ selten, stellen allerdings wegen der Adenom-Karzinomsequenz (vergleichbar mit Polypen des Kolons) eine potenzielle Gefahr dar, zumal das Adenomkarzinom die häufigste maligne Polypenform ist (Tab. 1).
Prinzipiell gilt: Ist der Polyp <1 cm, sollte anstelle einer Cholezystektomie eine Verlaufskontrolle nach sechs Monaten erfolgen und, falls kein Wachstum vorliegt, über fünf Jahre hinweg jährlich sonographisch kontrolliert werden [1]. Ist der Polyp grösser als 1 cm, ist die operative Entfernung indiziert, insbesondere, wenn zur Grössenprogredienz eine verdickte Gallenwand und Gallensteine hinzukommen. Aufgrund der tiefen Mortalität kann Patientinnen und Patienten eine laparoskopische Cholezystektomie problemlos empfohlen werden [3]. Diese frühe Massnahme bei kritischer Polypengrösse verhindert die Ausbildung eines Gallenblasenkarzinoms, das tendenziell selten auftritt, dann aber, bedingt durch die späte Diagnose, rasch letal verlaufen kann.
Das Gallenblasenkarzinom tritt üblicherweise in der sechsten und siebten Lebensdekade auf und ist bei Frauen viermal häufiger als bei Männern.
Cholezystolithiasis
Die ChoIezystolithiasis (Gallenblasensteine) tritt bei Frauen je nach Alter 1,5–3-mal häufiger auf als bei Männern. Das Risiko steigt mit zunehmendem Alter [4]. Patient/-innen mit biliären Symptomen präsentieren sich üblicherweise mit länger als 15 Minuten anhaltenden, kolikartigen Schmerzen im Epigastrium oder rechten Oberbauch. Die Schmerzen können in die rechte Schulter ausstrahlen. Weitere wichtige Symptome sind Nausea und Erbrechen, die manchmal auch ohne Schmerzen auftreten können. Die Sonographie ist dank einer Sensitivität von über 95% die primäre Bildgebung, da CT- und MRI-Untersuchungen Gallensteine in bis zu 20% der Fälle verpassen können [1]. Eine Cholezystolithiasis kann jedoch auch asymptomatisch verlaufen und durch Zufall diagnostiziert werden. Mehrere Studien zeigen, dass eine Cholezystektomie bei asymptomatischer Cholezystolithiasis nicht sinnvoll ist. Die Wahrscheinlichkeit, eine biliäre Symptomatik zu entwickeln, liegt in den ersten fünf Jahren nach Diagnosestellung bei 2–4% und sinkt in den Folgejahren auf ungefähr 1–2% [1].
Es gibt jedoch drei Ausnahmesituation, bei denen eine Cholezystektomie bei asymptomatischen Patient/-innen doch sinnvoll sein könnte:
1. Wenn Patient/-innen mit Gallenblasensteinen gleichzeitig an einer Porzellangallenblase leiden (Verkalkung der Gallenblasenwand), sollte wegen des Risikos der Entstehung eines Gallenblasenkarzinomes von bis zu 20% eine Cholezystektomie empfohlen werden.
2. Weisen Gallensteine eine Grösse von über 3 cm auf, ist eine Cholezystektomie ebenfalls indiziert, da maligne verlaufende Entzündungen entstehen können. Hier ist insbesondere bei Männern das Gallenblasenkarzinomrisiko um das Neun- bis Zehnfache erhöht.
3. Liegen zusätzlich Polypen >1 cm vor, gilt die oben bereits erwähnte Indikation zur Cholezystektomie und der Patient sollte symptomunabhängig cholezystektomiert werden.
Eine notfallmässige Cholezystektomie ist angezeigt, wenn Patient/-innen sich mit einer akuten Cholezystitis präsentieren: Hier besteht Perforationsgefahr und das Risiko schwerer Abszessbildung. Bei einer um Tage verzögerten Anamnese besteht die Therapie primär in der Gabe von Antibiotika, bevor zu einem späteren Zeitpunkt cholezystektomiert werden kann. Trotzdem sollten solche Fälle zur Abklärung an eine chirurgische Notfallstation weitergegeben werden.
Choledocholithiasis
Die Diagnose der Choledocholithiasis (Gallengangssteine) gestaltet sich je nach Risikostufe unterschiedlich (Abb. 1). Sind Leberfunktionswerte sowie Gallenganggrösse normal, sollten keine weiteren Abklärungen erfolgen. Ein intermediäres Risiko besteht, wenn die Patient/-innen bereits älter als 55 Jahre sind und weitere Komplikationen wie ein erweiterter Gallengang, erhöhte Bilirubin-Werte oder eine Cholezystolithiasis vorliegen. Dann ist eine weiterführende Abklärung mittels endosonographischer Ultraschalluntersuchung (EUS) oder Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (MRCP) angezeigt. Insbesondere bei einer Mikrolithiasis ist die EUS- der MRCP-Untersuchung überlegen. Schwierig gestaltet sich die Diagnose bei intermittierender Obstruktion durch wandernde Gallengangsteine.
Abbildung 1: Risikofaktoren für das Auftreten von Gallengangssteinen im Ductus hepatocholedochus. Patienten können in drei Risikogruppen eingeteilt werden: tiefes Risiko, intermediäres Risiko oder hohes Risiko für Gallengangssteine. Diese Einteilung erfolgt aufgrund einer Kombination von klinischen und laborchemischen Parametern. Die daraus resultierende Therapie kann hiermit ermittelt werden [10, 13].
Erhärtet sich der Verdacht auf Gallengangsteine, erfolgt die ERCP (endoskopisch retrograde Cholangio-Pankreatikographie), die mit Blick auf mögliche Nebenwirkungen erst durchgeführt werden sollte, wenn das Risiko für Gallengangsteine bei mehr als 50% liegt resp. eine Cholangitis vermutet wird.
Bei der Cholangitis handelt es sich um eine gefürchtete Folge der Choledocholithiasis. Die Cholangitis ist insbesondere für ältere Patientinnen und Patienten rasch lebensgefährlich. Eine Erstlinien-ERCP sollte demnach bei Patienten mit Cholangitis, mit einem dilatierten Ductus hepatocholedochus (DHC) >6 mm, einem Nachweis im Abdomenultraschall eines Gallensteines im DHC oder bei einem Bilirubinanstieg >4 mg/dl erfolgen.
Primär biliäre Cholangitis und primär sklerosierende Cholangitis
Zu den cholestatischen Hepatopathien gehören die primär biliäre Cholangitis (PBC), die zu 80–90% Frauen betrifft, und die primär sklerosierende Cholangitis (PSC), die zu 60–80% eine Erkrankung der Männer darstellt. Ein klinischer Verdacht auf eine primär biliäre Cholangitis besteht bei Pruritus, chronischer Müdigkeit, Hepatomegalie, ferner Steatorrhoe und Xanthelasmen. Serologische Diagnosekriterien sind um mehr als das Anderthalbfache der Norm erhöhte AP(alkalische Phosphatase)-Werte und erhöhte AMA(anti-mitochondriale Antikörper)-Werte (AMA-M2 >1:40). Durch eine allfällige Leberbiopsie können Komorbiditäten wie Autoimmunhepatitis und nichtalkoholische Steatohepatitis ausgeschlossen werden. Aufgrund der grossen Anzahl möglicher assoziierter Erkrankungen (Tab. 2), soll aktiv nach anderen Komorbiditäten gesucht werden.
Tabelle 2: Assoziierte Erkrankungen und mögliche Komorbiditäten bei Patientinnen und Patienten mit einer primär biliären Cholangitis (PCB).
Autoimmunerkrankungen
Sjögren-Syndrom
<75%
Rheumatoide Arthritis
20%
Autoimmunthyreoditis
15%
Raynaud-Syndrom
10%
Sklerodermie
5–10%
Zöliakie
Systemischer Lupus erythematodes
Andere Erkrankungen / Komplikationen
Hypercholesterinämie
80%
→Xanthelasmen
Osteoporose
>75%
Renale tubuläre Azidose
<50%
Renale tubuläre Azidose
50%
Cholezystolithiasis
30%
Hypovitaminosen
rezidivierende Harnwegsinfekte
Leberzellkarzinom
Die primär sklerosierende Cholangitis befällt vorwiegend die kleinen Gallengänge und manifestiert sich oft intrahepatisch. Auch hier sind die AP-Werte deutlich erhöht (3 × ULN). Erhöhte Titer für ANCA (anti-neutrophile zytoplasmatische Antikörper) können ebenfalls auf das Vorliegen einer PSC hinweisen.
Im Rahmen der Diagnose ist die Bildgebung zielführend. Als primäres Diagnose-Tool empfiehlt sich die MRCP. Die ERCP gilt zwar weiterhin als Goldstandard, das Risiko einer Post-ERCP-Pankreatitis ist aber gegeben, weshalb in der heutigen Zeit andere Bildgebungen bevorzugt werden sollten. Eine weitere Möglichkeit ist die Leberbiopsie, in der sich die PSC in einer zwiebelschalenähnlichen Ummauerung der Gallenwege präsentiert. Wie die PBC ist auch die PSC häufig mit anderen Erkrankungen assoziiert. In 80% der Fälle finden sich Komorbiditäten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Daher lohnt es sich, bei PSC-Patient/-innen eine Koloskopie durchzuführen. So sind 87% der PSC-Patienten auch von einer Colitis ulcerosa betroffen [5]. Diese Patient/innen sollten wegen der stark erhöhten Tumorgefahr regelmässig gescreent werden. Eine zusammenfassende Übersicht dieser beiden Krankheiten zeigt Tabelle 3.
Tabelle 3: Übersicht primär sklerosierende Cholangitis und primär biliäre Cholangitis.
Primär sklerosierende Cholangitis (PSC)
Primär biliäre Cholangitis (PBC)
Geschlecht
60–80% sind Männer
80–90% sind Frauen
Prävalenz
10–60 Fälle / 1 Mio Einwohner
20–400 Fälle / 1 Mio Einwohner
Alter
30–60 Jahre
35–50 Jahre
Komorbidität
In ca. 80% assoziiert mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, vor allem Colitis ulcerosa
Häufig andere Autoimmunerkrankungen
Klinische Chemie
Alkalische Phosphatase >3× ULN
Alkalische Phosphatase >1,5 ULN für >6 Monate
Autoantikörper
80% pANCA (anti-neutrophile zytoplasmatische Antikörper), nicht pathogenetisch relevant
Antimitochondriale Antikörper (AMA), AMA-M2 >1:40
Leberbiopsie
Indikation – unauffälliges Cholangiogramm und persistierender Verdacht auf PSC – Ausschluss Komorbiditäten (Autoimmunhepatitis , nicht-alkoholische Steatohepatitis) Histologie – Zwiebelschalenartige Ummauerung der Gallenwege
Indikation – alkalische Phosphatase oder antimitochondriale Antikörper (AMA) nicht wegweisend – Ausschluss Komorbiditäten (Autoimmunhepatitis , nicht-alkoholische Steatohepatitis)
Erhöhte Leberwerte
Ein Thema, das immer wieder gerne diskutiert wird, ist die Interpretation von Laborparametern. Prinzipiell ist zu überlegen, welcher Hauptlaborparameter der Führende ist (Abb. 2). Bei führenden Transaminase-Werten, eventuell ergänzt durch erhöhte Cholestaseparameter, kann von einer hepatischen Ursache ausgegangen werden. Ein cholestatisches Bild besteht bei einer Erhöhung der alkalischen Phosphatase: Sobald eine Erweiterung der Gallengänge ausgeschlossen wurde, müssen autoimmune Erkrankungen wie PBC/PSC in Betracht gezogen werden. Führende GGT-Werte deuten auf eine metabolische oder toxische Ursache hin. Medikamente können grundsätzlich alle Bilder erzeugen, weshalb dieser Aspekt immer als Differenzialdiagnose mit beachtet werden soll. Hinweise auf den Grad der Leberschädigung gibt der De-Ritis-Quotient (GOT/GPT). Ein Quotient <1 verweist auf geringe Schädigungen resp. Entzündungen. Ist er hingegen >2, liegen vermutlich schwere, nekrotische Leberschäden vor, oft durch Alkoholabusus herbeigeführt. Abbildung 3 illustriert das Vorgehen bei Patientinnen und Patienten mit isolierten erhöhten Cholestaseparametern. Zunächst müssen physiologische Ursachen wie die wachstumsbedingte Erhöhung der AP, ein Alter des Patienten >60 Jahre, eine Schwangerschaft oder die Blutgruppen O/B ausgeschlossen werden. Auch Noxen und Medikamentenreaktionen (z.B. Antibiotika) sind zu prüfen. Eine Abdomensonographie sollte durchgeführt werden. Bei einer extrahepatischen Dilatation der Gallenwege muss der Patient auf Steine hin untersucht werden. Liegt keine Cholestase durch Obstruktion vor, könnte es sich um seltenere Krankheitsbilder wie PBC/PSC handeln. Als Indikatoren eignen sich zum Beispiel die AMA oder das gesamt-IgM. Bei Verdacht auf PSC (angezeigt auch durch positive ANCAs) sollte direkt eine MRCP durchführt werden. Durch eine Biopsie können andere differenzialdiagnostische Ursachen ausgeschlossen werden.
Prof. Dr. med. Stephan Vavricka Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie AG Vulkanplatz 8 CH-8048 Zürich vavricka[at]zgh.ch
Literatur
1 Lammert F, Neubrand MW, Bittner R, Feussner H, Greiner L, Hagenmüller F, et al. S3-guidelines for diagnosis and treatment of gallstones. German Society for Digestive and Metabolic Diseases and German Society for Surgery of the Alimentary Tract. Z Gastroenterol. 2007 Sep;45(9):971–1001.
2 Cariati A, Piromalli E, Cetta F. Gallbladder cancers: associated conditions, histological types, prognosis, and prevention. Eur J Gastroenterol Hepatol. 2014 May;26(5):562–9.
3 Wölnerhanssen B, Peterli R. Gallensteine – asymptomatisch: Cholezystektomie! – Replik. Swiss Med Forum. 2005;05(28):753–4.
4 Frey M, Criblez D. Cholezystolithiasis. Swiss Med Forum. 2001;01(32):805–9.
5 Portincasa P, Vacca M, Moschetta A, Petruzzelli M, Palasciano G, van Erpecum KJ, van Berge-Henegouwen GP. Primary sclerosing cholangitis: updates in diagnosis and therapy. World J Gastroenterol. 2005 Jan 7;11(1):7–16.
6 Laitio M. Histogenesis of epithelial neoplasms of human gallbladder II. Classification of carcinoma on the basis of morphological features. Pathol Res Pract. 1983 Aug;178(1):57–66.
7 Weedon D, ed. Pathology of the Gallbladder. New York, NY: Masson Publishing; 1984.
8 Gershwin ME, Selmi C, Worman HJ, Gold EB, Watnik M, Utts J, et al. Risk factors and comorbidities in primary biliary cirrhosis: a controlled interview-based study of 1032 patients. Hepatology. 2005 Nov;42(5):1194–202.