Zur ärztlichen Verantwortung und der Freiheit, sich nicht zu impfen

Briefe / Mitteilungen
Édition
2021/44
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2021.20285
Bull Med Suisses. 2021;102(44):1447

Publié le 03.11.2021

Zur ärztlichen Verantwortung und der Freiheit, sich nicht zu impfen

In meiner 35-jährigen Tätigkeit als Hausarzt habe ich die mit den Patientinnen und Patienten geteilte Verantwortung immer hoch­gehalten. Als der Begriff «Shared decision-­making» aufkam, habe ich mich gefreut, die Patientinnen und Patienten mit ihren Vorlieben und Bedürfnissen noch bewusster in diagnostische und therapeutische Entscheide einzubeziehen. Wenn ich noch praktizierte, würde ich das auch weiter tun.
Aber: Die SARS-Cov-2-Pandemie ist keine individuelle Krankheit. Sie betrifft die ganze ­Gesellschaft, die ganze Menschheit. Im Gegensatz zu persönlichen Entscheiden des einzelnen an Covid-19 Erkrankten sind zur Therapie der Pandemie nicht individuelle Vorlieben gefragt. Zu dieser Therapie brauchen wir die Mittel von Public Health: Social Distancing, Lockdown mit geschlossenen Schulen und Stillstand des kulturellen Lebens, Einkaufen für die alten Nachbarn, Home-Office, Maskentragen, Testen von unzähligen Gesunden, Quarantäne für gesunde Kontaktpersonen von Kranken. Wir haben dies alle praktiziert und tun es zum Teil auch heute noch. Seit einem Dreiviertel Jahr gehört jetzt eben auch Impfen dazu. Der oder die Einzelne mag es halten, wie er oder sie es will, aber die Gemeinschaft braucht eine hohe Impfquote. In dieser Polarität leben wir heute. Anders kommen wir nur unter grossen Opfern aus dem Teufelskreis. Unsere Patientinnen und Patienten, unsere Mitmenschen zu überzeugen, ihnen die Angst vor der Impfung zu nehmen, ist unsere aktuelle wichtige und oft mühsame Aufgabe.

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