Interview mit Daniela Berger und Stefan Roth

«Das «e» in mfe muss noch sichtbarer werden»

News
Ausgabe
2024/08
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2024.1565093724
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2024;24(08):214-215

Publiziert am 14.08.2024

Die Pädiatrie im Vorstand von mfe ist wieder gestärkt und mit zwei neuen Personen hervorragend besetzt. Wir haben uns mit den beiden neuen Vorstandsmitgliedern, Daniela Berger und Stefan Roth, unterhalten.
Wie seid ihr zu eurem neuen Engagement bei mfe gekommen?
Daniela Berger (DB): Über meine Kontakte im Kanton Zürich und als Vorstandsmitglied der VZK (Vereinigung Zürcher Kinderärztinnen und Kinderärzten) wurde ich dazu animiert, bei mfe mitzuwirken. Nach einem «Hineinschnuppern» habe ich mich schnell dafür entschieden und wurde anschliessend an der Delegiertenversammlung im Mai in den Vorstand gewählt.
Stefan Roth (SR): Mein Praxiseinstieg bei Rolf Temperli hat keine andere Option offengelassen, als mich auch standespolitisch zu engagieren. Im Vorstand von KIS fand sich diesbezüglich eine gute Gelegenheit, Luft zu schnuppern. Daneben kam vor einigen Jahren das Engagement im Vorstand und dann im Co-Präsidium des VBHK (Verein Berner Haus- und Kinderärztinnen und Kinderärzten) dazu. Die Crew im VBHK hat sich in den letzten Jahren sehr engagiert und stabil entwickelt, so konnte ich das Co-Präsidium mit gutem Gewissen an die nächste Generation weitergeben.
Was hat euch persönlich motiviert, euch für mfe zu engagieren?
SR: Im Rahmen der Engagements bei KIS (Kinderärzte Schweiz – Berufsverband Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten in der Praxis) und im VBHK, insbesondere aber seit dem Wechsel von Monika Reber in den Vorstand von mfe, war ich seit Jahren thematisch und persönlich auch an der nationalen Ebene interessiert. Die Tatsache, dass die Vorstandsposten der Pädiaterinnen und Pädiater eine Nachfolge brauchten, haben dann den definitiven Schritt eingeleitet.
DB: Als pädiatrische Grundversorgerin kann ich die Augen vor den grossen Problemen unseres Berufes nicht verschliessen. Da ich aber nicht gerne jammere, sondern mich lieber auf Positives und Konstruktives konzentriere und die Probleme deshalb anpacke, ziehe ich aus dieser Situation die Motivation für mich, für unseren Beruf und für eine bessere Zukunft zu kämpfen.
Ihr seid die Vertretenden für die Pädiatrie bei mfe. Wo wollt ihr für den Verband die Schwerpunkte setzen?
DB: Ich will die Vernetzung mit den anderen pädiatrischen Berufsverbänden stärken und dadurch den grössten Nutzen mit den vorhandenen, limitierten Ressourcen erzielen. Zudem engagiere ich mich im Schwerpunkt Tarife – auch da selbstverständlich immer für die besonderen diesbezüglichen Anliegen von Kinderärztinnen und Kinderärzten.
SR: Das «e» in mfe muss noch sichtbarer werden. mfe konnte mit Philipp Luchsinger einen «Mister Hausarzt» mit breiter Sichtbarkeit, sowohl innerhalb der Ärzteschaft, als auch in der Öffentlichkeit aufbauen. Das muss uns auch auf Seiten der Pädiatrie gelingen. Einerseits gegenüber der Öffentlichkeit, anderseits – und das ist im Rahmen der aktuellen Herausforderungen fast noch wichtiger – auch gegenüber den niedergelassenen Pädiaterinnen und Pädiatern.
Welche Aufgaben übernehmt ihr neben der Pädiatrie noch bei mfe?
SR: Vieles ist noch im Fluss. Grundsätzlich stehen für mich aber zwei Themen im Fokus. Erstens braucht es auf der Nachwuchsseite neben Monika Reber als Leading-Head und Hausärztin auch einen pädiatrischen Kopf. Hier sehe ich viel Potential und eine spannende Aufgabe. Zweitens kann mfe auf Social Media noch mehr Impact generieren. Diesbezüglich konnte ich mit polsan und dem VBHK schon viel erreichen und an diesem Punkt möchte ich nun bei mfe anknüpfen.
DB: Ich übernehme nebst der Vertretung der Pädiatrie noch das Ressort Tarife. Hier passiert im Moment sehr viel und es gibt noch zahlreiche offene Fragen, vor allem in Bezug auf die gemeinsame Einführung von TARDOC und den ambulanten Pauschalen. Die Arbeit wird mir bestimmt nicht ausgehen.
Die Nachwuchsproblematik ist auch in der Pädiatrie ein grosses Thema. Was muss sich ändern, damit wir künftig wieder mehr Studierende für die Kinderarztmedizin begeistern können?
DB: Es gibt viele Ansatzpunkte und über allem steht aus meiner Sicht eine faire und ausreichende Verdienstmöglichkeit für die Kinderärztinnen und Kinderärzten in der Praxis. Wenn eine Praxis nicht kostendeckend geführt werden kann, nützt es auch nichts, dass wir den schönsten Beruf auf der Welt ausüben dürfen. Ohne eine gesunde wirtschaftliche Grundlage wird in Zukunft niemand mehr unsere Fachrichtung wählen. Gleichzeitig möchte ich der jungen Generation aufzeigen, wie spannend, herausfordernd aber auch enorm befriedigend dieser Job ist. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass wir die attraktiven Optionen für die persönliche Lebensgestaltung in diesem Fachgebiet aufzeigen – von der kleinen Praxis und der Selbständigkeit bis zur Gruppenpraxis mit interprofessionellem Team.
SR: Pädiatrie ist und bleibt das schönste Fach der Medizin und dank diesem Umstand begeistern sich laut meinen Beobachtungen und zum Glück noch immer viele Studierende dafür. Es ist aber wichtig, dass sich bezüglich der Rahmenbedingungen schnell und relevant vieles ändert. Wir sprechen hier von der immer dringender werdenden Tarifrevision, die für viele Praxen mittlerweile existentiell ist. Diese Revision muss spürbar sein und den Worten müssen jetzt endlich Taten folgen. Weiter ist es wichtig, dass die Pädiatrie wieder breitere Abklärungen und Untersuchungen anbieten kann. POCUS, Abklärungen bezüglich ADHS, etc. müssen (wieder) in unsere Kompetenz kommen. Auch die Thematik der MPA-Leistungen und APN muss für uns einen Impact haben. Hier ist es wichtig, dass gerade die «Kleinen» auch Interprofessionalität leben können.
Wo kann/muss die Politik sich hier engagieren? Was wäre prioritär?
SR: Wie bereits erwähnt muss die Tarifrevision dringend kommen und vor allem auch spürbar sein. Momentan bin ich hier noch nicht so ganz überzeugt. Gerade die laufenden Diskussionen bezüglich gleichzeitiger Einführung von Pauschalen auf Basis der Kostenneutralität und die Absicht, die TPW nicht auf 1.0 zu heben (was einer Tarifreduktion schon bei Einführung von TARDOC gleichkommt), lässt befürchten, dass bei «uns» am Schluss nicht mehr viel ankommt.
DB: Der Fokus der Politik muss ganz klar bei den Tarifen liegen. Wir brauchen TARDOC, und zwar als einen Tarif, der die Grundversorgerinnen und Grundversorger nicht benachteiligt und der in Zukunft auch weiterentwickelt werden kann. Die Politik muss dafür sorgen, dass es aufgrund der geforderten gleichzeitigen Einführung von TARDOC und den ambulanten Pauschalen nicht zu einer Schlechterstellung der Grundversorgerinnen und Grundversorger kommt. Das werden wir nicht akzeptieren. Auch müssen die wichtigen Errungenschaften von TARDOC (z.B. Interprofessionelle Koordination etc.) behalten werden können – wir brauchen diese zwingend für einen modernen Praxisalltag.
Es engagieren sich diverse Verbände für pädiatrische Anliegen. Wo liegen hier die Vorteile und wo die Schwierigkeiten?
DB: Die Vorteile liegen darin, dass es unterschiedliche «Hebel» gibt, um eine Verbesserung bewirken zu können. Beispielsweise können kantonale Programme Vorbild sein für eine spätere gesamtschweizerische Umsetzung. Die Schwierigkeiten liegen vor allem im Informationsaustausch. Die gleichen Anliegen werden von verschiedenen Stellen gleichzeitig bearbeitet, was oft Kapazitäten an der falschen Stelle bindet. Unter dem Strich überwiegen aber die Vorteile, denn alle haben das gleiche Ziel und kämpfen für eine qualitativ hochstehende pädiatrische Versorgung.
SR: Die Pädiatrie, insbesondere die Praxispädiatrie, findet sich in vielerlei Hinsicht in einer herausfordernden Situation. Wir sind eine kleine Gruppe mit teilweise sehr individuellen Bedürfnissen. Damit wir wahrgenommen werden, sind wir oft auf Kooperationen angewiesen. Dabei müssen wir den Balanceakt zwischen Kooperations- und Eigeninteressen laufend meistern. Zudem sind wir stets mit der ethischen Frage konfrontiert, dass «die Kinder ja nichts dafürkönnen» und wir «aus Rücksicht auf die Kinder» vieles nicht machen wollen. Dessen müssen wir uns bewusst sein und wir dürfen uns hier nicht instrumentalisieren lassen.
Worklife-Balance ist ein grosses Thema. Wie vereint ihr Praxis, standespolitisches Engagement und Privatleben?
SR: Das Team und die Schnittmengen sind wichtig. Man muss sich in der Praxis und der Standespolitik auf die Kolleginnen und Kollegen verlassen können. Im Privaten sind gemeinsame Freizeitaktivitäten wichtig, da sie Familie und Erholung vereinen. Schliesslich macht gerade die Abwechslung alles spannender.
DB: Ich werde die Arbeit an den Patientinnen und Patienten klar herunterfahren. Daraus entsteht mehr Zeit, die (meist) frei eingeteilt werden kann für das standespolitische Engagement. Ausserdem darf ich auf die Unterstützung meines Mannes zählen und ich habe das Glück, dass ich zwei gesunde Kinder habe.

Fünf Fragen – Ein Antwortsatz

Was motiviert Dich?
DB: Zufriedene Menschen.
SR: Es gibt keine Probleme, nur Lösungen – auch wenn sie manchmal schwierig sind.
Was machst Du in zehn Jahren?
SR: Hoffentlich immer noch das, was mich erfüllt.
DB: Wer weiss das schon? Ich bin ein Mensch, der Gelegenheiten ergreift und nicht sein ganzes Leben plant, aber hoffentlich kommuniziere, lache und streite ich weiterhin mit meiner Familie und verbringe viel Zeit mit ihr.
Dein schönster Moment im Berufsalltag?
DB: Wenn der skeptische, 12-monatige Junge während der Konsultation auftaut und laut über meine «Faxen» lachen muss.
SR: Die dankbaren Kinderaugen? Nein, diese sind zwar schön, aber viel erfüllender sind die Situationen, in denen man als Partner der ganzen Familie gesehen wird.
Wo bzw. wie erholst Du Dich?
SR: Ein Fahrrad und ein Berg sind eine gute Voraussetzung zur Erholung.
DB: Ich erhole mich am besten beim Sport mit Laufen, Yoga, Snowboarden, Schwimmen oder Kiten – am liebsten und wenn immer möglich draussen.
Dein grösster Wunsch für die Zukunft der Pädiatrie?
DB: Eine gute pädiatrische Versorgung ohne finanziellen Druck, sowohl im stationären wie auch ambulanten Bereich.
SR: Als vollwertiger Partner in der Grundversorgung wahrgenommen zu werden, und zwar seitens Ärzteschaft, Gesellschaft und Politik.

Lebenslauf

Daniela Berger
  • Fachärztin für Pädiatrie, Schwerpunkt Kindernotfallmedizin
  • Chief Medical Officer und Co-Standortleiterin Medizin bei Swiss Medi Kids in Zürich
  • Studium in Innsbruck und Zürich
  • Verheiratet, 2 Kinder

Lebenslauf

Stefan Roth
  • Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin
  • Eigene Praxis in Köniz-Liebefeld
  • Studium in Bern
  • Verheiratet, 1 Kind
Sandra Hügli-Jost
Kommunikationsbeauftragte
mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz
Geschäftsstelle
Effingerstrasse 2
CH-3011 Bern
sandra.huegli[at]hausaerzteschweiz.ch

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