Dr. med. Philippe Luchsinger Präsident mfe, Haus- und Kinderärzte Schweiz
Zahlen begleiten uns durchs Leben. Zu Beginn das Geburtsdatum, mit Gewicht und Länge (die verändern sich ja später, nicht immer zu unserer Freude). Dann werden wir mit Zahlen bewertet, mit den Noten in der Schule, mit den Punkten im Studium. Wir erhalten einen Lohn, auch der ist eine Zahl. Und lebenslang begleitet werden wir von unserer AHV-Nummer. Zahlen haben verschiedene Bedeutungen in unserem Leben, in unserer Gesellschaft.
8 ½ steht für den berühmten Film von Federico Fellini, in dem er seine Schaffenskrise verarbeiten wollte. Sein Alter Ego Guido versucht mit grossem Aufwand, einen Film zu erschaffen, wie er noch nie dagewesen ist, und bedient sich seiner Träumereien. Fellini hatte die Themen für diesen Film beisammen, aber ihm fehlte die konkrete Handlung, um seine Ideen zu strukturieren. So hiess denn der Arbeitstitel dieses Films auch «La Grande Confusione». Etwa so wirkt unser Gesundheitswesen auf mich: Überall wird an kleinen Schräubchen gedreht, werden kleine Änderungen vorgenommen, mit dem Resultat, dass beispielsweise das KVG mitsamt seinen Verordnungen immer unübersichtlicher, steifer und unflexibler wird. Aber vor allem: An den entscheidenden Punkten wird nichts verändert, und von einem grossen Wurf sind wir meilenweit entfernt. Im Gegensatz zu Fellini, der ein cineastisches Meisterwerk erschaffen hat.
8,7 ist die Prozentzahl, mit der im Schnitt die Krankenkassenprämien für 2024 steigen werden. So hoch war die Prämienerhöhung selten, in den letzten Jahren war sie deutlich tiefer. Die santésuisse macht es sich wieder einmal sehr einfach, wenn sie mantramässig vor sich hin behauptet, die Leistungserbringer seien schuld, schliesslich folgen die Prämien den Kosten. Und wie hoch war die Kostensteigerung? Nicht halb so hoch! Und bei den Grundversorgern, also den Haus- und Kinderärztinnen und -ärzten, gerade mal 1,7%, nachweislich durch vermehrte Beanspruchung vor allem unserer jüngeren Bevölkerung. Dass diese undifferenzierten Aussagen gewisser Versicherer unreflektiert von den meisten Medien und den meisten Politikerinnen und Politikern übernommen werden, lässt eine fundierte Diskussion über mögliche Lösungen gar nicht zu. Aber vielleicht ist das auch gar nicht gewollt …
9¾ ist das versteckte Perron im Londoner Bahnhof King’s Cross, an dem der Hogwarts-Express auf die Zauberlehrlinge (oder Zauberlernenden?) wartet. Harry Potter hat Millionen von Kindern (und Erwachsenen) fasziniert mit seinem Kampf gegen Monster und sich selbst. Er ist erfolgreich in seinen Bemühungen und verändert einiges. Brauchen wir im Gesundheitswesen mehr Potters? Leute mit Zauberstäben in der Hand, die Grundlegendes verändern können, wie beispielsweise die Finanzierung unseres Gesundheitswesens, oder die nachhaltige Begleitung unserer Patientinnen und Patienten auf Augenhöhe durch den Dschungel der Leistungserbringer, oder dass die Zusammenarbeit mit den Versicherern nicht durch deren Marketingabteilungen bestimmt wird? Die Zauberstäbe sollen die Einzelinteressen zum Verstummen bringen und ein grosses gemeinsames Bild möglich machen.
Mein Traum wäre, dass wie in 8 ½ Struktur ins Ganze kommt, mit einer Prise 9 ¾ etwas gewagt würde, dann wäre 8,7 nämlich Makulatur.

«Mein Traum wäre, dass wie in 8 ½ Struktur ins Ganze kommt, mit einer Prise 9 ¾ etwas gewagt würde, dann wäre 8,7 nämlich Makulatur.»

Sandra Hügli-Jost
Kommunikationsbeauftragte
mfe Haus- und Kinderärzte
Schweiz
Geschäftsstelle
Effingerstrasse 2
CH-3011 Bern
Sandra.Huegli[at]hausaerzteschweiz.ch

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